# taz.de -- Tour de France: Spektakel für einen Sommer
       
       > Mit Andy Schleck hat Alberto Contador endlich einen ernst zu nehmenden
       > Konkurrenten bekommen - und die Tour ein prima vermarktbares Paar der
       > Gegensätze.
       
 (IMG) Bild: Überraschung. Andy Schleck sorgt mal für sportliche Spannung.
       
       SISTERON taz | Alberto Contador hat endlich Konkurrenz bekommen. Wie ein
       Schatten wird der große Favorit auf den Sieg bei dieser Tour de France
       begleitet von Andy Schleck. Der Luxemburger und der im letzten Jahr noch
       uneinholbar scheinende Spanier schwingen im gleichen Rhythmus ihre Hüften,
       wenn sie sich in die steil aufsteigenden Serpentinen werfen. Der übermütige
       Andy tritt sogar zuweilen aus dem Schatten heraus und lässt die Muskeln
       spielen. Er attackiert Contador auf jedem Terrain: bergauf, bergab und
       sogar im Flachen. Und nun trägt er erst einmal das Gelbe Trikot.
       
       Contador, der zwar gern souverän gewinnt, noch lieber aber ebenbürtige
       Rivalen niederringt, weil die Schwere des Kampfes den Sieg noch versüßt,
       musste drei lange Jahre warten, bis dann doch endlich einmal jemand mit der
       Kletterfähigkeit eines Michael Rasmussen auftaucht. Der Däne hatte ihm bei
       der Tour 2007 das Leben ziemlich schwer gemacht. In einer Art
       Synchronradfahren unter Höhenluftbedingungen waren die beiden die Pyrenäen
       heraufgekraxelt, bis medialer Druck den Tourveranstalter ASO dazu brachte,
       ein paar Ortsangaben im Dopingkontrollprogramm von Rasmussen genauer zu
       überprüfen und ihn schließlich wegen des Verdachts der Dopingverschleierung
       vom Rennen zu suspendieren.
       
       Zu diesem Zeitpunkt wurde auch bekannt, dass sich Rasmussen von einem
       befreundeten Mountainbiker Kunstblut aus den USA nach Europa schicken
       lassen wollte. Und wenig später wurde in seinen Blutproben Spuren des
       Epopräparats Dynepo gefunden. Jetzt betreibt das spindeldürre "Chicken"
       einen Bike-Shop am Gardasee und reüssiert bei so spektakulären Rundfahrten
       wie der Vuelta a Chihuahua.
       
       Nach Rasmussens unfreiwilligem Abgang zog Contador einem Kondor gleich
       einsam und souverän seine Kreise. Mit dem 25-jährigen Andy Schleck aber ist
       ihm nun ein Herausforderer vom Kaliber Rasmussens erwachsen. Vom
       sportlichen Kaliber Rasmussens, das sei hier ganz klar vermerkt. Denn
       anders als die doch ziemlich bekleckerte Weste des Dänen ist das
       vergleichbare Kleidungsstück des Luxemburgers jungfräulich rein.
       
       Für Geldüberweisungen seines älteren Bruders Fränk an den Dopingarzt
       Eufemiano Fuentes kann man ihn nicht verantwortlich machen. Auch kaum
       dafür, dass er während dieser Tour "mindestens dreimal täglich" mit diesem
       Bruder telefoniert. Und noch viel weniger dafür, dass Papa Johny Schleck in
       den 60er und 70er Jahren ein eisenharter Profi war. Zu Zeiten also, als
       dessen früh verstorbener Kollege Tom Simpson mit einem Koffer für die
       Klamotten und einem weiteren für die Medizin zur Tour reiste oder der
       freundschaftlich verbundene Rivale Rudi Altig die gängige Berufsauffassung
       anlässlich einer von ihm verweigerten Dopingkontrolle mit den Worten
       ausdrückte: "Wir sind Profis, aber keine Sportler."
       
       Nein, Andy sorgt für sportliche Spannung. Nach den Alpen hat er 41 Sekunden
       Vorsprung vor dem zwei Jahre älteren Contador. Die Entscheidung um den
       Tour-Sieg fällt ab kommenden Sonntag in den Pyrenäen nur noch zwischen
       diesen beiden, die aufgrund ihrer Verschiedenheit ein marketingtechnischer
       Glücksfall für die Organisatoren der Rundfahrt sind.
       
       Im Gegensatz zu dem zwar extrem leistungsfähigen, aber auch extrem
       farblosen Contador ist Schleck aus idolfähigem Material gefertigt. Die
       Berge quält er sich zwar noch verbissener nach oben als die Konkurrenz,
       aber er beherrscht die Kunst, dabei doch elegant auszusehen. Die gedehnten
       Gliedmaßen, die ganz profan für gute Hebelverhältnisse sorgen, und das
       längliche, wie von Amedeo Modigliani eigenhändig modellierte Gesicht
       verleihen ihm den Anschein, aus Vertretern der Aristokratie und edlen
       Rennpferden herausgemendelt worden zu sein.
       
       Schlecks Potenzial hat auch der abtretende Zampano des Metiers früh
       erkannt. Lance Armstrong wollte ihn unbedingt in seinem Rennstall haben. Er
       hätte dafür auch den weniger talentierten und weniger charismatischen
       älteren Bruder Fränk Schleck in Kauf genommen. Doch daraus wird nun nichts.
       Während sich das überalterte Team Radioshack allenfalls über
       Gelegenheitssiege wie den des - einst auch auf der Fuentes-Liste stehenden
       - Portugiesen Sergio Paulinho freuen kann, wird um Andy Schleck herum
       demnächst ein eigenes Luxemburger Team geschneidert.
       
       Der Noch-Milram-Kapitän Linus Gerdemann ist als Helfer im Gespräch. Weil es
       einen wie Schleck nicht alle Jahre gibt, buhlt freilich auch Bjarne Riis
       noch um die Dienste seines besten Schülers. Just um der Luxemburger
       Fraktion Zukunftsoptionen aufzuzeigen, ließ er sich zu der Ankündigung
       hinreißen, einen neuen Titelsponsor gefunden zu haben, nannte dessen Namen
       aber nicht.
       
       Für die Pyrenäen, in denen der legendäre Tourmalet sogar zweimal erstiegen
       werden muss, ist nun ein Spektakel sondergleichen zu erwarten. Im Auge des
       Betrachters liegt es, wie sehr er die Bilder von 2007 mit denen dieses
       Sommers zur Deckung bringen will.
       
       15 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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