# taz.de -- Island und die EU: Vulkanstaat will sich binden
> Am Dienstag beginnen die Beitrittsverhandlungen mit Island. Die
> Icesave-Schulden, die Waljagd und der Fischfang sind dabei die
> Knackpunkte.
(IMG) Bild: Die Jagd auf Moby Dicks Artgenossen bleibt eine Hürde auf dem Weg Islands in die EU.
STOCKHOLM taz Zwei Ultimaten liegen auf dem Tisch, wenn am Dienstag die
offiziellen Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und Island beginnen
werden. Deutschland fordert, dass Island den kommerziellen Walfang
einstellt, und Großbritannien und die Niederlande wollen eine
EU-Mitgliedschaft der Nordatlantikinsel von einer Einigung über die Tagung
der Icesave-Schulden abhängig machen.
Die Wale dürften dabei das kleinere Problem sein. Islands jetzige
rot/rot-grüne Regierungskoalition hat die umstrittene Wiederaufnahme des
kommerziellen Walfangs von ihrer Vorgängerin geerbt und hätte nichts
dagegen, diese Jagd so bald wie möglich wieder verbieten zu "müssen". Es
käme nur auf die richtige Verpackung dieser für viele IsländerInnen
wichtigen Symbolfrage an. Und da kommt Reykjavik die negative EU-Meinung zu
diesem auch in Island selbst höchst umstrittenen Thema nicht ungelegen.
Denn wirtschaftlich spielt der Walfang keine Rolle.
Der Icesave-Komplex dagegen wird nicht leicht zu lösen sein. Im März hatten
bei einer Volksabstimmung 93 Prozent der IsländerInnen Nein zu "Iceslave"
gesagt. Das Abkommen würde das Land verpflichten, umgerechnet rund 4
Milliarden Euro an die Staatskassen Großbritanniens und der Niederlande zu
zahlen. Damit sollen die Zahlungen, die diese Länder im Rahmen ihrer
eigenen Spareinlagengarantiegesetze an ihre BürgerInnen für deren Einlagen
bei der pleite gegangenen Internetbank Icesave geleistet hatten,
ausgeglichen werden. Doch den meisten Isländern leuchtet nicht ein, warum
sie mit 13.000 Euro pro Kopf für die windigen Geschäfte einiger
Privatbanker haften müssen.
Eine Mehrheit der Bevölkerung ist sich aber auch klar darüber, dass mit dem
Volksabstimmungs-Nein das Problem nicht vom Tisch ist. Am Ende wird sich
der isländische Staat wohl oder übel zumindest anteilsmäßig an diesem
Schuldenberg der später verstaatlichten "Landsbanki" beteiligen müssen.
Viel Fingerspitzengefühl dürfte erforderlich sein, dieses heikle Thema
durch die Beitrittsverhandlungen zu lotsen. Und das scheinen bislang weder
die britische und niederländische Diplomatie, die offenbar auf offenen
Druck setzen wollen, noch das Europaparlament verstanden zu haben.
Letzteres wirft in einer Resolution den IsländerInnen vor, "sich dem
Rückzahlungsplan im Gefolge des Icesave-Kollapses zu widersetzen". Und
übersieht dabei, dass im isländischen Parlament vor einem Jahr ein Gesetz
wirksam verabschiedet wurde, wonach Reykjavik sogar die von London und Den
Haag geforderte Erstattung in voller Höhe zugesteht. Doch die dortigen
Regierungen lehnten bislang ab, weil sie mit den vorgeschlagenen
Zahlungsmodalitäten und den angebotenen Zinsen nicht einverstanden waren.
Die isländische Anti-EU-Bewegung hat sich bereits auf das Bild einer EU
eingeschossen, die über die Beitrittsverhandlungen mit Hilfe von Erpressung
Island zu einer Haftung für Schulden zwingen will, zu denen das Land
rechtlich überhaupt nicht verpflichtet wäre. Und gelingt es den
Verhandlungsdelegationen aus Brüssel und Reykjavik nicht, zu Icesave einen
Kompromiss zu finden, der für eine Mehrheit der IsländerInnen akzeptabel
ist, braucht das Ergebnis der Beitrittsverhandlungen diesen gar nicht erst
zu dem erforderlichen Referendum vorgelegt zu werden.
Makrele im Mittelpunkt
Denn neben Icesave drückt auch das Traditionsthema Fischfang derzeit mal
wieder die Ja-Quote für einen EU-Beitritt deutlich unter die
50-Prozent-Marke. Hier sind die Makrelen zu einem neuen Streitthema
zwischen den Fischfangflotten der EU und Islands geworden. Die tauchen seit
einigen Jahren aufgrund der steigenden Wassertemperaturen in wachsendem
Maße vor den isländischen Küsten auf, wo sich die dortigen Fischer über die
neue Einkommensquelle freuen. Der isländische Makrelenfang hat sich binnen
vier Jahren von 4.200 Tonnen auf jetzt 130.000 Tonnen verdreißigfacht.
Die EU und Norwegen teilen sich eine Fangquote von 700.000 Tonnen
Nordseemakrelen und sind dagegen, dass Island einfach die in seine
Hoheitsgewässer abgewanderten Klimaflüchtlinge aus dem Meer abfangen will.
REINHARD WOLFF
25 Jul 2010
## AUTOREN
(DIR) Reinhard Wolff
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