# taz.de -- Jamaika an der Saar: Es drohen Hamburger Verhältnisse
       
       > Das Herzstück des Koalitionsvertrags steht plötzlich auf der Kippe. Die
       > FDP will von längerem gemeinsamem Lernen nichts mehr wissen.
       
 (IMG) Bild: Da war man sich noch einig: Die SpitzenvertreterInnen von Grünen, CDU und FDP nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags.
       
       SAARBRÜCKEN taz | Knapp neun Monate nach Beginn der Arbeit steht die
       Jamaikakoalition im Saarland vor einer Zerreißprobe. Denn das "Herzstück
       des Koalitionsvertrags" (Grüne), die Bildungsreform, steht nach dem
       Volksentscheid in Hamburg auch an der Saar plötzlich zur Disposition. Die
       FDP jedenfalls ist dabei, sich von den, nach eigenen Worten, "grünen
       Reformplänen" zu verabschieden.
       
       Nicht nur die Jungen Liberalen fordern jetzt einen Volksentscheid zur
       geplanten Verlängerung der Grundschulzeit auf fünf Jahre und der
       Zusammenlegung aller weiterführenden Schulen - mit Ausnahme der Gymnasien -
       zu einer Gemeinschaftsschule. Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Oliver
       Luksic, stellvertretender Landesvorsitzender im Saarland, plädiert
       inzwischen dafür, die geplante Verlängerung der Grundschulzeit "noch einmal
       neu zu diskutieren".
       
       Dabei hatte sein Landesvorsitzender, Wirtschaftsminister Christoph
       Hartmann, noch kurz zuvor betont, dass die FDP "wie ein Mann" zu den im
       Koalitionsvertrag festgeschriebenen Vereinbarungen zur Umgestaltung des
       Schulwesens stehe. Ein Bekenntnis, das "nur der Koalitionsräson geschuldet"
       gewesen sei, wie man im Umfeld der Landtagsfraktion der FDP zu wissen
       glaubt. Die "blöde Reform" nämlich, die von Unternehmer- und auch
       Lehrerverbänden abgelehnt wird, habe bei der FDP Saar "nie jemand wirklich
       gewollt".
       
       Auch der Volksentscheid steht auf der Agenda der schwarz-gelb-grünen
       Koalition. Wie für die Schulreform müsste für dessen Einführung die
       Landesverfassung geändert werden. Für beide Vorhaben braucht die Regierung
       eine Zweidrittelmehrheit im Landtag, über die sie nicht verfügt. Doch einen
       kürzlich von der SPD eingebrachten Antrag zur "Erleichterung von
       Volksbegehren" lehne die Koalition brüsk ab, ohne einen Termin für eine
       eigene Gesetzesvorlage benennen zu können.
       
       Regierungschef Peter Müller (CDU) habe offensichtlich "Angst vor dem Volk",
       konstatierte daraufhin der SPD-Landesvorsitzende Heiko Maas. Er erinnerte
       daran, dass Grünen-Chef Hubert Ulrich noch im Frühjahr im Landtag sagte,
       dass die geplanten Verfassungsänderungen für mehr direkte Demokratie im
       Saarland und im Schul- und Bildungsbereich "zeitgleich umgesetzt" würden.
       
       Davon ist nun tatsächlich nicht mehr die Rede. Der saarländische grüne
       Bildungsminister Klaus Kessler jedenfalls hält einen Volksentscheid wie in
       Hamburg für unnötig. Er will den noch zu konzipierenden Gesetzentwurf zur
       Bildungsreform landesweit in Veranstaltungen zur Diskussion stellen und
       dann vom Landtag verabschieden lassen. Ministerpräsident Müller soll zuvor
       bei SPD und Linken um Zustimmung dafür werben. An Plebisziten auch zu
       haushaltsrelevanten Themen hat der Regierungschef angesichts klammer Kassen
       ohnehin kaum Interesse.
       
       Bei der FDP aber will man nicht klein beigeben. Im Herbst werde "das Fass
       erst richtig aufgemacht", hieß es hinter vorgehaltener Hand im Landtag.
       "Der Müller" müsse sich jetzt kümmern: "Weg mit dem 5. Grundschuljahr, oder
       Volksentscheid", das seien die Alternativen.
       
       27 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Peter Klingelschmitt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA