# taz.de -- Bahn-Projekt Stuttgart 21: Immer mehr finden's unterirdisch
       
       > Das milliardenteure Gleisbauprojekt treibt die Menschen auf die
       > Barrikaden. Warum empört das so viele Baden-Württemberger? Und was geht
       > das Deutschland an?
       
 (IMG) Bild: Auch die schwäbische Hausfrau (obwohl hier vielleicht gar nicht abgebildet) hat die Seite gewechselt.
       
       Am Montagabend war es wieder so weit: Tausende standen vor dem Nordflügel
       des Stuttgarter Hauptbahnhofes, sie demonstrierten gegen den geplanten
       Teilabriss ihres Bahnhofes. Seit bald einem Jahr geht das so, jede Woche,
       und es werden immer mehr. Unter den Prominenten, die bereits Reden hielten,
       reihte sich am Montag der Grüne Parteivorsitzende Cem Özdemir ein. Einmal
       ergriff sogar der Chef der Deutschen Bahn (DB), Rüdiger Grube, spontan zum
       Mikrophon. Sie buhten ihn aus.
       
       Das Projekt 
       
       "Stuttgart 21" ist das größte Infrastrukturprojekt Deutschlands, manche
       sagen sogar Europas. Seit 1994 wird geplant. Die Idee damals: Weil halb
       Stuttgart von Gleisen gespalten wird, die in einem Kopfbahnhof enden,
       sollte alles in einer neuen Trassenführung unter die Erde. In über 30
       Kilometer langen Tunnels. Alles sollte durch einen unterirdischen
       Durchgangsbahnhof führen, finanziert durch den Verkauf von Bauland, das
       mitten in der Stadt freiwerden würde. Erst im April 2009 wurde die
       endgültige Finanzierungsvereinbarung unterzeichnet. Damals sollte alles
       noch 3,07 Milliarden Euro kosten. Heute sind es bereits 4,1 Milliarden
       Euro. Hinzu kommen ein paar Milliarden für eine neue, geplante ICE-Strecke
       nach Ulm. Erst im Juli stiegen hier die prognostizierten Kosten von 2 auf
       2,89 Milliarden Euro. Ohne die Strecke wäre "Stuttgart 21" nutzlos -
       moderne Eisenbahntunnel würden auf der Schwäbischen Alb auf einer
       Bummelstrecke enden. Momentan zahlen Bund, Land, Region und Stadt
       Stuttgart, die EU und die Deutsche Bahn für das Projekt.
       
       Die Folgen 
       
       Laut Bundesverkehrswegeplan gibt es für die Jahre 2001 bis 2015 150
       Milliarden Euro für die drei Verkehrsträger - da scheinen die Investitionen
       für Stuttgart 21 relativ gering. Dennoch kritisieren Gegner wie der Grüne
       Winfried Hermann, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, das
       Großprojekt "kannibalisiere" andere Projekt. Sprich: Es fehlt Geld für
       Investition in ganz Deutschland, wie den Güterverkehr und den Nahverkehr.
       
       Die Wut der Gegner 
       
       Warum es in Stuttgart nun eine Art Volksaufstand gegen das Projekt gibt?
       "Die Bahn kümmert sich einen Dreck, was die Bevölkerung will", sagt Gangolf
       Stocker, Stadtrat der Partei "Stuttgart Ökologisch Sozial", der seit Mitte
       der 90er den Protest gegen Stuttgart 21 organisiert. Knackpunkt war, als im
       November 2007 67.000 Stuttgarter für einen Bürgerentscheid über die
       Riesenbaustelle in ihrer Stadt unterschrieben. Bürgermeister Wolfgang
       Schuster (CDU) lehnt mit Hinweis auf einen Verfahrensfehler ab. Der Protest
       reicht nun von der sogenannten Stuttgarter "Halbhöhenlage", die schönen
       Wohngegenden mit Blick in den Talkessel, wo reiche Spender sitzen, bis hin
       zu den Studenten-WGs, wo Anti-"Stuttgart 21"-Aufkleber getragen werden. Mit
       im Boot sind Grüne, der BUND und andere Umweltschutzverbände, Teile der
       SPD, spontane Sympathisanten. Die favorisieren, den alten Kopfbahnhof zu
       erhalten und zu renovieren, was nach ihren Berechnungen nicht nur deutlich
       günstiger wäre; der renovierte Kopfbahnhof sei auch besser für den
       Nahverkehr geeignet, sagen sie.
       
       Kosten- und Nutzenstreit 
       
       Wie teuer wird "Stuttgart 21" wirklich? Nicht wenige in Stuttgart lästern,
       dass der 3-Schluchten-Staudamm in China am Ende billiger gewesen sein wird.
       Das bekannteste Gegengutachten stammt vom Münchner Ingenieurbüro Vieregg &
       Rössler. Sie haben errechnet, was Tunnelbauten in der Regel in Deutschland
       kosten. Die Zahl auf "Stuttgart 21" umgelegt, würde das Projekt je nach
       Inflationsrate zwischen 6, 9 und 8, 7 Milliarden Euro kosten. Der
       Ex-Bahnmanager Karl-Dieter Bodack geht davon aus, dass auch die
       ICE-Neubaustrecke statt 2,89 Milliarden bis zu 5,5 Milliarden Euro kosten
       wird. Zudem legt eine kürzlich an die Öffentlichkeit gelangte Studie im
       Auftrag des Landes nahe, dass der Neubau des Bahnhofes gravierende
       verkehrstechnische Mängel haben wird - die Landesregierung reagierte mit
       einem neuen Gleis am geplanten Flughafenbahnhof.
       
       Die Bahn hält stets mit eigenen Berechnungen dagegen. Mehrkosten für die
       ICE-Trasse trägt nach Vertragslage der Bund, für Stuttgart 21 die Bahn. Die
       gehört bekanntlich zu 100 Prozent dem Bund - also dem Steuerzahler.
       
       3 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
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