# taz.de -- Kommentar Bund der Vertriebenen: Vertrautes völkisch-dumpfes Gelände
       
       > Viele Vertriebenenfunktionäre verurteilen im ersten Satz das Naziregime,
       > im zweiten relativieren sie seine Verbrechen. So entziehen sie dem BdV
       > die Legitimation.
       
       Deutsche Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg? Moment mal, Frankreich und
       England sind mitschuldig, sie warteten nur auf die Gelegenheit, uns den
       Krieg zu erklären! Millionenfache Zwangsarbeit im Nazireich? Und was war
       mit den deutschen Zwangsarbeitern nach 1945? Der deutsche Angriffs- und
       Vernichtungskrieg als ursächlich für die spätere Flucht und Vertreibung der
       Deutschen? Oh nein, die Polen und Tschechen packten nur die Gelegenheit
       beim Schopf, endlich die Deutschen loszuwerden.
       
       Diese gesammelte geschichtsklitternde, die Naziverbrechen kleinredende
       Suada konnte man von zwei Mitgliedern des Stiftungsrates hören, die der
       Bund der Vertriebenen (BdV) in den Rat der Stiftung "Flucht,
       Vertreibung,Versöhnung" entsandt hat.
       
       Die Entrüstung, die danach über die beiden Stiftungsmitglieder hereinbrach,
       hat keineswegs zu deren Versuch geführt, Spuren zu verwischen. Im
       Gegenteil! Sie trumpfen mit jedem Interview weiter auf, hierin bestärkt
       durch ihre Chefin Erika Steinbach, die uns erklärt, hier würde nur auf
       sattsam bekannte historische Fakten hingewiesen.
       
       Vorbei die Zeit, als Erika Steinbach sich als Vorreiterin für die
       universelle Geltung der Menschenrechte gerierte und damit auch Zuspruch bei
       liberalen Geistern fand. Jetzt landet der BdV wieder auf vertrautem
       völkisch-dumpfen Gelände.
       
       Denn was uns die beiden Ratsmitglieder mitteilten, war keineswegs Produkt
       einer irrelevanten Restgruppe von "Ewiggestrigen", wie man früher die
       obstinaten Nazis nannte. Solche Ansichten gehören zum über die Generationen
       hinweg tradierten Bestandteil des Geschichtsbildes vieler (nicht aller!)
       Vertriebenenfunktionäre. Im ersten Satz wird das Naziregime verurteilt, im
       zweiten werden seine Verbrechen relativiert. Gegenüber diesem Sachverhalt
       verweisen die Vertriebenenfunktionäre voller Stolz auf ihre Charta von 1950
       als Ausweis ihrer Friedfertigkeit und ihres Versöhnungswillens.
       
       Tatsächlich können die heutigen BdV-Dumpfbacken sich mit einigem Recht auf
       dieses Dokument stützen. Wird in ihm doch die nazistische Vorgeschichte der
       Vertreibungen und damit deren Ursache vollständig ausgeblendet. Und den
       deutschen Vertriebenen eine singuläre Opferrolle zuerkannt. Gerade dies
       aber und nicht etwa die legitime Forderung, an das Leid der Vertriebenen zu
       erinnern, ist nach wie vor der politische Daseinsgrund des Bundes der
       Vertriebenen.
       
       4 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Semler
       
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