# taz.de -- Debatte um längere Laufzeiten: Regierung vor Atomkompromiss
       
       > Alte Meiler gehen vom Netz, jüngere laufen länger - so möchte
       > Schwarz-Gelb die Atomdebatte lösen. Umweltschützer glauben allerdings
       > nicht, dass dies praktikabel ist.
       
 (IMG) Bild: Auch nicht mehr das allerjüngste: Das Kernkraftwerk Isar im bayrischen Markt Essenbach.
       
       Es könnte der Beginn einer Katastrophe sein: Ein gekidnapptes Flugzeug rast
       auf das hessische Atomkraftwerk Biblis A zu, durchschlägt die Reaktorkuppel
       und explodiert. Radioaktivität wird frei. Etliche Atommeiler in Deutschland
       würden einem solchen Crash nicht standhalten. Die schwarz-gelbe Koalition
       plant offenbar, Meiler mit großen technischen Mängeln vom Netz zu nehmen,
       moderne aber länger laufen zu lassen. Sie will damit den Streit über
       längere Atomlaufzeiten beenden.
       
       Das Bundesumweltministerium wiegelte am Montag zwar ab, es handele sich um
       "Spekulationen im Sommerloch". Und Lothar Lambertz vom RWE-Konzern,
       erklärte der taz: "Unsere Atomkraftwerke haben keine Mängel." Die
       Süddeutsche Zeitung berichtete jedoch von einem Kompromiss. Teil eins: Die
       Regierung erlässt neue Sicherheitsvorschriften und nimmt alte Reaktoren,
       die diesen nicht genügen, vom Netz. Denn alte Meiler lassen sich kaum so
       nachrüsten, dass sie den moderneren Reaktoren entsprechen - zumindest würde
       es für die Betreiber sehr teuer. Dies könne, so hieß es, für "zwei oder
       drei" der 17 Atomkraftwerke schon im nächsten Jahr das Aus bedeuten.
       
       Als besonders anfällig gelten allerdings alle acht Meiler, die zwischen
       1974 und 1983 in Betrieb genommen wurden. Darunter nicht nur Biblis A und
       B, sondern auch Krümmel in Schleswig-Holstein oder Isar 1 in Bayern. Welche
       Reaktoren die Regierung genau abschalten, welche Sicherheitsauflagen sie
       machen wird, ist offen. Gegen einen Terrorangriff wie am 11. September 2001
       in New York ist kein Reaktor in Deutschland gefeit.
       
       Die Betreiber könnten die Laufzeiten der alten Reaktoren jedenfalls auf die
       neueren übertragen. Das ist sogar nach dem derzeit geltenden Atomkonsens
       möglich, den Rot-Grün einst mit den Energiekonzernen ausgehandelt hat. Die
       Laufzeit der jüngeren Reaktoren ließe sich so schon heute bis in die 2020er
       Jahre verlängern.
       
       Die Manager von RWE und ihre Kollegen geben sich damit aber nicht mehr
       zufrieden. So erklärt sich Teil zwei des Kompromisses: Die Regierung teilt
       allen Reaktoren zusätzliche Strommengen zu. Legen die Betreiber dann die
       älteren Meiler still und verteilen die Laufzeiten um, könnte sich die
       Lebensdauer ihrer jüngeren Meiler plötzlich um ein Vielfaches verlängern -
       selbst wenn Schwarz-Gelb nur eine "moderate" Laufzeitverlängerung
       beschließt. Von ihr spricht Umweltminister Norbert Röttgen immer wieder. Er
       meint damit sechs oder acht Jahre längere Laufzeiten.
       
       Vielen seiner Unionskollegen aus Süddeutschland ist das zu wenig. In Bayern
       stehen fünf, in Baden-Württemberg vier Atomkraftwerke. Röttgen und die
       Ressorts für Inneres und Justiz gehen aber davon aus, dass nur diese
       "moderate" Verlängerung ohne Zustimmung des Bundesrats auskommt. Dort hat
       Schwarz-Gelb keine Mehrheit.
       
       Atomgegner glauben allerdings, dass Röttgen mit dem Kompromiss längere
       Laufzeiten für weniger Reaktoren scheitern wird. Rainer Baake von der
       Deutschen Umwelthilfe sagt: "Jede Laufzeitverlängerung ist
       zustimmungspflichtig." Es wird auf jeden Fall einen juristischen Streit
       geben. Und Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt"
       kündigt gegen jede Laufzeitverlängerung "Massenproteste im Sommer und
       Herbst" an.
       
       9 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hanna Gersmann
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA