# taz.de -- Residenzpflicht: Wegezoll ohne Rechtsgrundlage
       
       > Zum ersten Mal hat ein Flüchtling protestiert, das Innenministerium gab
       > ihm nun Recht. Dass Niedersachsens Ausländerbehörden Gebühren für
       > "Reiseerlaubnisse" verlangen, war demnach nicht zulässig.
       
 (IMG) Bild: Europaweit einmalig: Der Widerstand gegen die Residenzpflicht wächst. Im Juni demonstrierten Betroffene deshalb in Berlin vor dem SPD-Parteitag.
       
       Niedersachsens Ausländerbehörden hätten von Geduldeten und Asylbewerbern
       keine Gebühren für Reiseerlaubnisse nehmen dürfen. Das stellte jetzt das
       Landesinnenministerium in einer Stellungnahme klar. "Das ist in der
       Gebührenordnung gar nicht vorgesehen", sagt Werner Ibendahl, der im
       Ministerium für den Bereich Asyl zuständig ist. "Und deswegen darf eine
       Reiseerlaubnis auch nichts kosten." Das sei aber "nichts Neues, diese
       Auffassung haben wir immer schon vertreten."
       
       Bei der Ausländerbehörde Stadthagen im Landkreis Schaumburg hat man das
       anders gesehen. Dort verlangte man von dem ruandischen Flüchtling M. zehn
       Euro dafür, dass man ihm gestattete, für einige Tage nach Hamburg zu
       fahren. M. lebt in einem Asylbewerberheim in Rinteln. Er brauchte für die
       Reise eine Sondererlaubnis, weil er der so genannten Residenzpflicht
       unterliegt. Diese Vorschrift aus dem Aufenthaltsgesetz ist europaweit
       einmalig. Sie verbietet es Flüchtlingen, den ihnen zugewiesenen Landkreis
       zu verlassen. Selbst Reisen von wenigen Stunden erfordern eine
       Sondererlaubnis.
       
       In Hamburg wollte der 30-jährige M. an Gegenaktionen zur
       Innenministerkonferenz Ende Juni teilnehmen. Dies erlaubte man ihm zwar.
       Doch zehn Euro waren ein hoher Preis für M.: Als Flüchtling bekommt er nur
       den halben Hartz IV-Satz, 40 Euro Bargeld, 140 Euro in
       Lebensmittelgutscheinen. M. beklagte sich beim niedersächsischen
       Flüchtlingsrat. Der legte die Sache zur Prüfung bei der Landesregierung
       vor.
       
       "Dass wir von Herrn M. Gebühren verlangten, war ein Versehen", sagt nun der
       Sprecher des Landkreises Schaumburg, Klaus Heimann. "Früher haben wir diese
       Gebühren genommen. Aber seit einem entsprechenden Gerichtsurteil tun wir
       das nicht mehr." Das Verwaltungsgericht Halle hatte im Februar dieses
       Jahres entschieden, dass Residenzpflicht-Gebühren keine Rechtsgrundlage
       haben. Seit vielen Jahren hielten Ausländerbehörden munter die Hand auf,
       wenn Flüchtlinge reisen wollten. "Da waren wir aber mit Sicherheit nicht
       die einzigen", sagt Heimann.
       
       Von modernem "Wegezoll" spricht die Journalistin Beate Selders. Sie hat
       dokumentiert, wo Ausländerbehörden kassiert haben: In mindestens elf von 16
       Bundesländern kostet Bewegungsfreiheit bis zu zehn Euro. "Spätestens nach
       dem Urteil aus Halle muss damit Schluss sein", sagt Bernd Mesovic von Pro
       Asyl. Der Verband fordert, die Regelung insgesamt abzuschaffen.
       
       Denn jenseits der Gebührenerhebung bleibt es im Ermessen der
       Ausländerbehörden, ob solche Erlaubnisse für private Zwecke überhaupt
       erteilt werden. Über Weihnachten wollte M. Freunde in Rheine besuchen. Die
       Ausländerbehörde habe ihm die Erlaubnis verweigert, berichtet er. Zerwa
       fuhr trotzdem. Im Zug kurz hinter Osnabrück kontrollierte ihn die Polizei.
       Weil er sich zum ersten Mal über die Vorschrift hinweg gesetzt hatte, blieb
       es für M. bei einer Verwarnung. Doch im Wiederholungsfall droht
       Flüchtlingen nach wie vor Gefängnis.
       
       9 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA