# taz.de -- Helles Kreuz vorm Präsidenten-Palast: Polen entzweit über Absturz-Gedenken
       
       > In Warschau herrscht noch immer keine Einigung darüber, wie an die Toten
       > des Flugzeugunglücks von Smolensk erinnert werden soll. Auch eine
       > Gedenktafel entschärft den Konflikt nicht.
       
 (IMG) Bild: Spaltet die Polen: Gedenkkreuz vor dem Warschauer Präsidentenpalast.
       
       WARSCHAU taz | Ganz Polen liegt sich in den Haaren. Soll das helle Kreuz im
       Ikea-Stil vor dem prachtvollen Präsidentenpalast im Warschau bleiben oder
       nicht? Seit der Flugzeugkatastrophe von Smolensk Anfang April steht es
       dort. Vier Meter hoch, umflattert von einem dünnen Band in den rot-weißen
       Nationalfarben Polens.
       
       Ein gutes Dutzend "Kreuz-Verteidiger" belagert den Palast Tag und Nacht.
       Katarzyna, 28 Jahre jung und seit kurzem wieder "zu Gott zurückgekehrt",
       gehört dazu. "Wir gehen nicht weg", sagt sie, "bevor sie uns nicht mit
       Brief und Siegel bestätigen, dass hier ein großes Monument für die Opfer
       entsteht." Sie deutet auf Robert, Joanna und Dariusz, auf hunderte von
       Grabkerzen auf dem Bürgersteig, auf Feldbetten und Wasserkanister hinter
       den Metallgittern. "Wir sind zu allem entschlossen!"
       
       Als Donnerstagmorgen einige Arbeiter vor dem Präsidentenpalast erschienen
       und eine Gedenktafel in die Fassade einmauerten, war das für die
       Kreuzverteidiger Alarmstufe Rot. Sie fürchteten, dass das Kreuz, wie von
       der Warschauer Kurie und Präsident Bronislaw Komorowski angekündigt, in die
       benachbarte St.-Anna-Kirche gebracht werden könnte. Innerhalb von Minuten
       traf die telefonisch herbeigerufene Verstärkung ein.
       
       Als Punkt elf Uhr die feierliche Enthüllung der Gedenktafel begann, war
       dies die große Stunde von Dariusz Wiernicki. Unter den Kreuzverteidigern
       genießt er die größte Autorität. Der 47-jährige Techniker überragt die
       meisten um einen Kopf. Außerdem - und das ist das Wichtigste - hat er ein
       Megafon. "Hanba, hanba" - ruft er, "Schande, Schande!, als Soldaten neben
       der mit der Nationalflagge verhüllten Tafel Habachtstellung annehmen. Dem
       Leiter des Präsidialbüros und dem Vizeoberbürgermeister Warschaus ruft er
       zu: "Scham und Schande über euch! Ihr ehrt nicht diejenigen, die in
       Smolensk ums Leben kamen. Das ist Banditentum!"
       
       Kein Polizist reagiert, kein Soldat und kein Politiker. Als der Priester
       beginnt "Lasst uns beten!", wird auch er von den "Kreuzverteidigern"
       übertönt. "Schande!", skandieren sie. Erst beim dritten Anlauf kann der
       Priester seine Fürbitte für die 96 Toten beenden, die beim Flugzeugunfall
       von Smolensk ums Leben kamen.
       
       Während auf der einen Seite der Barrikade einige Zuschauer verhalten
       applaudieren, höhnt Wiernicki: "Das ist die Machtelite, die von unserem
       Geld lebt, uns Polen aber nicht ehrt und schätzt. Wo ist das Denkmal?" Ein
       Mann tippt dem Riesen auf die Schultern. "Schande ist das, was ihr tut! Und
       ihr wollt Christen sein?", regt er sich auf.
       
       Als die Politiker, Beamten und Soldaten der Ehrengarde wieder abziehen,
       strömen erneut tausende Menschen zum kleinen Campingplatz der
       Kreuzverteidiger vor dem Präsidentenpalast. Sie wollen nun auch die
       Gedenktafel sehen. Der Streit beginnt von vorn: reicht die Gedenktafel, die
       an die tausenden Trauernden erinnert, die sich nach dem Unglück von
       Smolensk vor dem Präsidentenpalast und unter dem Holzkreuz eingefunden
       hatten? Wird das große Denkmal, das im November auf dem
       Powazki-Militärfriedhof für die Opfer enthüllt werden soll, reichen? Kann
       das provisorische Kreuz jetzt in die St.-Anna-Kirche gebracht werden?
       
       Stunden nach der Enthüllung der Gedenktafel nimmt erstmals das Präsidium
       der Bischofskonferenz in Polen offiziell Stellung zum "Kreuzstreit". "Wir
       möchten die Beter unter dem Kreuz darauf aufmerksam machen, dass sie trotz
       bester Absichten in einen politischen Konflikt hineingezogen wurden."
       
       Die Bischöfe weisen darauf hin, dass Präsident und Regierung bereits über
       die Ehrung der Toten durch Gedenktafeln und ein Denkmal entschieden hätten.
       Daher solle das Kreuz nun an einen würdigeren Platz gebracht werden. In der
       St.-Anna-Kirche sei bereits ein besonderer Platz für das Kreuz vorbereitet.
       Hier sollten die Gläubigen künftig beten, wenn sie der Toten gedenken
       wollten, nicht vor dem Präsidentenpalast.
       
       13 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
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