# taz.de -- Usbekische Popqueen Usmanova: Liederkrieg nach dem Pogrom
       
       > In Mittelasien kennt jeder Yulduz Usmanova. Seit sie in einem Lied die
       > Kirgisen für die Pogrome gegen Usbeken verantwortlich machte, sind die
       > Fans gespalten.
       
 (IMG) Bild: Für sich selbst wirbt Yulduz Usmanova auf ihrer Homepage im folkloristischen Gewand.
       
       Der kirgisische Poet ist wütend. Seinen Zorn setzt Abduvali Akimbekov aus
       Osch in Verse. "Wer bist du, du bist obdachlos, ein Flüchtling, kein Stern,
       ein echter Idiot. Deine Stimme verschleiert. Für die Kirgisen bist du eine
       gerissene Hexe", lautet das Lied des Kirgisen, das eine Zeitung in der
       südkirgisischen Stadt auf der Titelseite abdruckte. Akimbekov ist Akyn - so
       nennen sich in dem zentralasiatischen Land an der chinesischen Grenze die
       Volksdichter, die das tausend Jahre alte Manas-Epos rezitieren. Rappern
       ähnlich tragen sie die Spontandichtungen vor, während sie ein
       Zupfinstrument spielen und auf diese Weise Hochzeiten und andere
       Familienfeste unterhalten.
       
       Als Poet kann man in Kirgisien seinen Unterhalt ganz gut verdienen. Vor
       allem wenn, wie in diesem Sommer, brisante Themen keine Mangelware sind.
       Und in Kirgisien sind das die gewalttägigen Ausschreitungen und Yulduz
       Usmanova. Der usbekische Popstar veröffentlichte kürzlich ein Lied über die
       Pogrome gegen die usbekische Minderheit, die im Juni stattgefunden hatten.
       Über diese Song streitet ganz Kirgisien.
       
       Der Hintergrund: Tausende kirgisische Plünderer brandschatzten tagelang mit
       Hilfe der kirgisischen Sicherheitskräfte die usbekischen Viertel der
       südkirgisischen Städte Osch und Dschalalabad. Bis zu 100.000 Menschen
       flüchteten zeitweise in das benachbarte Usbekistan, nach Schätzungen wurden
       bis zu 2.000 Menschen, zum überwiegenden Teil Usbeken, brutal getötet. Bis
       heute sind die Usbeken in Südkirgisien der Willkür ausgeliefert.
       
       Rede an Allah 
       
       Die 46-jährige usbekische Popsängerin Usmanova macht nun in der emotionalen
       Ballade "Eine Rede an Allah" die Kirgisen für die Pogrome verantwortlich:
       "Für was wurde das Blut vergossen? Hast du gar kein Gewissen? Ach, mein
       Kirgise, was hast du dich billig verkauft."
       
       Usmanovas Song beginnt mit den Klängen des usbekischen Zupfinstruments
       Dombra. Später entfaltet Usmanova ihre volle Gesangskraft zu einer von
       Ethnopop getragenen Melodie: "Wenn du jede Nation tötest, wer wird dann bei
       den Kirgisen sein?", singt Usmanova und fordert die Kirgisen auf, um
       "Verzeihung zu bitten", denn "wenn der Usbeke rächt, wird es dich nicht
       mehr geben".
       
       Die Zeilen der usbekischen Sängerin treffen auf den nationalistischen
       Fieberwahn der kirgisischen Gesellschaft. Und dabei ist Usmanova nicht
       irgendwer, sie wird in allen fünf zentralasiatischen Staaten zwischen
       Kaspischem Meer und chinesischer Grenze verehrt und gefeiert, und sie singt
       auch in allen Sprachen der Region. Nun teilt allerdings der ethnische
       Konflikt in Südkirgisien die Fangemeinde der erfolgreichen Popsängerin.
       
       Ihre amourösen Eskapaden sind in Zentralasien so berühmt wie ihre Lieder,
       und auch ist sie dafür bekannt, sich mit dem usbekischen Präsidenten Islam
       Karimow anzulegen. Danach weicht sie jeweils für einige Zeit ins
       europäische Exil aus. Das Lied für die geschundenen Usbeken in Kirgisien
       texte Usmanova in Istanbul. Die Ballade entstand kurz nach den Unruhen, als
       eine Vielzahl von Fotos und Videos von den Gräueltaten das Netz fluteten.
       Auch ihr Song wurde auf YouTube mit entsprechenden Bildern untermalt. Das
       Lieg gelangte "ungewollt" ins Internet und verbreite sich in Windeseile,
       die Sängerin bereut jedoch bis heute keinen Vers.
       
       Der Kulturminister Kirgisiens stellt sich gegen Usmanovas Song, Radiosender
       boykottieren ihre Lieder, Geschäfte im ganzen Land entfernen die CDs der
       Usbekin, kirgisische Popkollegen wüten gegen den Star, das kirgisische
       Fernsehen zeigt die Zerstörung der CDs, und die Akyne des Landes schreiben
       Spottlieder über sie.
       
       Der Dichter Akimbekov sieht die Kirgisen zu Unrecht beschuldigt. Der Akyn
       ist überzeugt, dass die Usbeken ihre Häuser in Osch "selbst angezündet"
       hätten. Der Dichter ist auch empört über den Angriff der Ballade von
       Usmanova auf das Nationalgetränk Kumis, die in Kirgisien als Getränk
       beliebte fermentierte Pferdemilch. "Sag mir, wer wird bei dir das Feld
       bestellen? Wen wirst du allein mit deinem Kumis sättigen?", heißt es in dem
       Lied der usbekischen Sängerin. Usmanova spielt in der Ballade auf die in
       Zentralasien gängigen Stereotype an, die besagen, dass die Usbeken
       Landwirte und die Kirgisen Nomaden seien, die von den Usbeken ernährt
       würden.
       
       Akimbekov hat ein Gegenlied geschrieben und beklagt darin den Reichtum der
       Usbeken: "Warum hast du nicht erzählt, du Stern, von den Stock für Stock
       gebauten Häusern in der Nachbarschaft, von dem sorglosen Kauf von Autos"
       und droht seinerseits mit Gewalt: "Mein kirgisisches Volk ist ein
       Heldenvolk, die Kirgisen sind nicht wie die Usbeken, die das eigene Volk
       nicht respektieren. Sie sollen ihren Hut abnehmen, ihre Gürtel um den Hals
       hängen, sollen sich bei uns entschuldigen."
       
       Wie die Akyne empört sich auch die kirgisische Popwelt über Usmanova.
       Ibrahim Dschunusow, den es immer wieder in die Politik zieht, mal als
       Kulturminister, mal als Abgeordneten, hat viele Hits gelandet. Das Lied
       "Dschalalabad" trällert aus den Radios, der größte Erfolg ist jedoch
       "Eliman". Dschunosow sang es vor zwanzig Jahren, als ebenfalls im Juni 1990
       kurz vor dem Zerfall der Sowjetunion blutige ethnische Unruhen zwischen
       Usbeken und Kirgisen Südkirgisien erschütterten. "Ich sang nicht, wer
       schuld ist", sagt Dschunusow. Er habe zur Versöhnung aufgerufen. "Das hätte
       Usmanova auch machen müssen." Dschunusow zeigt Verständnis für die
       Zerstörung ihrer CDs in Kirgisien. "Das ist der Hass der Jugend", sagt der
       Kirgise. Doch ganz unversöhnlich ist er nicht. Dschunusow kennt Usmanova
       persönlich und verehrt ihre Kunst, die anderen "wunderschönen Liedchen"
       werde er weiterhin hören.
       
       16 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marcus Bensmann
 (DIR) Marcus Bensmann
       
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