# taz.de -- Selbstmordanschlag im Irak: Anstieg der Gewalt
       
       > Ein Attentäter sprengt sich in Bagdad in die Luft und tötet Dutzende
       > wartender Menschen. In dem Land ohne Regierung eskaliert die Gewalt
       > parallel zu dem US-Teilabzug.
       
 (IMG) Bild: Direkt vor dem Rekrutierungsbüro sprengte der Attentäter sich in die Luft.
       
       BAGDAD taz | Ein Selbstmordanschlag hat am Dienstag in Bagdad in Dutzende
       Armeerekruten in den Tod gerissen. Mehr als hundert Rekruten wurden nach
       Angaben der Sicherheitskräfte verletzt. Es war der bislang schwerste
       Anschlag im Fastenmonat Ramadan.
       
       Der Selbstmordattentäter mischte sich unter die wartenden Männer vor dem
       ehemaligen Verteidigungsministerium im Zentrum der Hauptstadt. Das Gebäude
       wird heute als Rekrutierungsbüro genutzt. Vor der Behörde habe sich eine
       lange Schlange gebildet gehabt, sagte einer der Überlebenden.
       
       Wie viele Opfer der Anschlag forderte, war zunächst unklar. Laut einem
       Sprecher des Innenministeriums tötete der Täter 48 Rekruten und verletzte
       129. Das Leichenschauhaus berichtete dagegen, es seien 59 Leichen
       eingeliefert worden. Das größte Spital von Bagdad nahm nach Angaben von
       Ärzten 125 Verletzte auf.
       
       Bereits vor dem Ramadan hatten Amerikaner und Iraker vor einem Anstieg der
       Gewalt während des Fastenmonats gewarnt. In den letzten Wochen häufen sich
       jedoch die Angriffe auf die Sicherheitskräfte. Seit Monatsbeginn vergeht in
       der Hauptstadt kaum ein Tag, ohne dass Polizisten und Soldaten Angriffen
       zum Opfer fallen.
       
       Zwar sind in Bagdad schon lange keine US-Soldaten auf Patrouille zu sehen.
       Künftig müssen die Iraker jedoch auch ohne die Unterstützung im Hintergrund
       auskommen. Denn US-Präsident Barack Obama hält sich an sein Wort und zieht
       die Kampftruppen ab.
       
       Täglich verlassen tausende von Soldatinnen und Soldaten das Land. Bis
       Monatsende will das US-Militär die geplante Sollstärke von 50.000 Männern
       und Frauen in Uniform erreichen. Das sind zwar noch genug, um
       gegebenenfalls einzugreifen. Doch sind sie auf großen Basen stationiert.
       
       Und die Amerikaner haben erklärt, dass sie sich künftig auf ihre Rolle als
       Ausbilder und als "Berater und Unterstützer" der höheren Offiziersränge
       konzentrieren werden. Die Schutz der Quartiere und Regierungseinrichtungen
       ist alleinige Aufgabe der Iraker.
       
       Der Fastenmonat wurde in den vergangenen Jahren häufig von brutaler Gewalt
       überschattet. Nur im vergangenen Jahr verging er relativ friedlich. In
       diesem Jahr ist freilich seit Monaten ein Anstieg der Morde und Anschläge
       zu verzeichnen.
       
       Im Juli fielen fast doppelt so viele Personen der politisch motivierten
       Gewalt zum Opfer wie zu Jahresbeginn. Neben den Sicherheitskräften und
       schiitischen Pilgern richtet sie sich vor allem gegen die ehemaligen
       Sahwa-Kämpfer, sunnitische Milizionäre, die sich vor ein paar Jahren auf
       die Seite der USA geschlagen haben.
       
       Gleichzeitig hat die schiitische Regierung wenig unternommen, um den
       Milizionären gesicherte Jobs zu verschaffen. Viele haben ihre Posten
       aufgegeben und berichten von gezielten Versuchen der Terrorgruppe al-Qaida
       im Irak, sie erneut auf ihre Seite zu ziehen. Bei einem Anschlag in den
       vergangenen Wochen wurden in der ehemaligen Untergrundhochburg Anbar Mitte
       Juli 45 Milizionäre getötet.
       
       Obwohl die Politiker selbst vor einer Eskalation warnen, hat sie das nicht
       dazu gebracht, fast sechs Monate nach der Wahl endlich eine Koalition zu
       bilden. Dabei legte Ajad Allawi am Montag die Gespräche mit dem amtierenden
       Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki auf Eis.
       
       Allawi, ein säkularer Schiit, beschwerte sich in einem Fernsehinterview,
       dass Maliki seine Irakija als sunnitische Liste bezeichnet hatte. Allawi
       ist ein säkularer Schiit, seinem Bündnis gehören jedoch viele namhafte
       Sunniten an. Zusammen kämen die beiden auf eine stabile Mehrheit. Darauf
       hatten die USA gehofft, nachdem andere Koalitionsversuche bereits
       gescheitert waren.
       
       17 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Inga Rogg
       
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