# taz.de -- Erderwärmung-Folgen für Anbau: Regent mit italienischer Wucht
       
       > Nicht nur die Anbaugebiete verschieben sich in Folge der Erderwärmung
       > nach Norden. Winzern machen auch die Extremwetter zu schaffen.
       
 (IMG) Bild: Eine feuchte Traube reagiert bei großer Hitze "wie ein Brutreaktor".
       
       Ein paar Verrückte hier experimentieren jetzt schon mit Rebsorten wie
       Merlot oder Syrah", sagt Gerhard Schwarztrauber und muss dabei grinsen. Als
       "verrückt" wurde der passionierte Winzer aus Mußbach an der Weinstraße
       einst selbst bezeichnet - damals, 1986, als er anfing, qualitativ
       hochwertige Tropfen nach biologischen Grundsätzen zu erzeugen.
       
       Heute lacht in der Pfalz niemand mehr über den regionalen Pionier des
       Ökoweinbaus, der mit seiner Familie 13 Hektar Weinberge bewirtschaftet. Für
       seine von Bioland begutachteten Weine hat er Preise und Medaillen gleich im
       Dutzend eingeheimst. Freude bereitet haben seine Weine auch schon der taz -
       nämlich bei einer festlichen Pantherpreisverleihung.
       
       Zwar hält Schwarztrauber den großflächigen Anbau von Merlot, Syrah oder
       Cabernet-Sauvignon in der Pfalz noch für "Zukunftsmusik". Schließlich
       dominieren diese Rebsorten in Italien und Frankreich. Dennoch, so
       Schwarztrauber, könnten die "Verrückten" von heute am Ende die großen
       Gewinner sein: "Wenn sich das mit dem Klimawandel so wie bislang
       weiterentwickelt."
       
       Sein nach Cassis schmeckender Regent der Lage "Königsbacher Meerspinne"
       jedenfalls hat schon jetzt eine solche Wucht, dass er glatt als "Italiener"
       durchgehen könnte. Tatsächlich kommen die Rotweine im deutschen Südwesten
       wegen der steigenden Durchschnittstemperaturen immer "schwerer" daher.
       
       Schwarztrauber gefällt das nur bedingt. Zwar freue sich jeder Winzer über
       ein paar Öchslegrade mehr, sagt er. Doch Rotweine mit einem Alkoholgehalt
       von 15 Prozent wolle in Deutschland eigentlich niemand haben. Und der
       Riesling brauche für sein feines Säurespiel ohnehin ein abwechslungsreiches
       Klima mit nicht zu hohen Temperaturen. Doch der Klimawandel schafft in
       allen europäischen Weinanbaugebieten längst schon Fakten. Für den grünen
       Veltliner der Lage Sandgrube der Weinbauschule Krems in Österreich etwa
       wurden beispielhaft "signifikante Zusammenhänge" zwischen häufiger
       registrierten "Trocken- und Hitzeperioden mit Extremtemperaturen" und der
       Reifezeit der Trauben registriert. Alles verschiebe sich, so die Konklusion
       der Wissenschaftler. So beginne auch die Lesezeit heute etwa zehn Tage
       früher als noch vor zwanzig Jahren. Und auch die Anbauzonen würden sich
       langsam, aber stetig nach Norden verschieben. Die Experten glauben zudem,
       dass es infolge des Klimawandels diesseits der Alpen zu immer heftigeren
       Starkniederschlägen komme, die ganze Lagen vernichten könnten. So hatten
       Sachsens Weinbauern nach den jüngsten Hochwassern Schäden in Millionenhöhe
       zu beklagen.
       
       Ökowinzer Schwarztrauber ist deshalb froh, über weit auseinander liegende
       Terroirs zu verfügen. Da sei dann die "Trefferquote" kleiner. Die
       prognostizierten langen und sehr heißen Trockenphasen hält er für
       "problematisch". Man müsse die Weinberge dann künstlich bewässern. Eine
       feuchte Traube reagiere bei großer Hitze "wie ein Brutreaktor" und könne
       "explodieren". Dann komme es an der aufgeplatzten Stelle zu Schimmelbefall.
       Zudem wanderten auch Schädlinge ein, die sich bislang nur im Süden
       getummelt hätten. Die Weinblätter "anbohrenden" Zikaden seien ja schon "in
       Massen" da.
       
       Auch bei der avisierten Verschiebung der Anbaugebiete hat die warme Zukunft
       längst begonnen. Spanische Rebsorten werden im Burgund angebaut, Riesling
       bei Potsdam. Das dort ansässige Klimaforschungsinstitut prophezeite dem
       brandenburgischen Weinberg für die nahe Zukunft "beste klimatische
       Bedingungen für die Produktion auch hochwertiger Weine". Schon im Herbst
       2012 wird in einem gerade angelegten 3.000 Quadratmeter großen Wingert auf
       Sylt die Weinlese beginnen.
       
       Vielleicht bauen also 2050 Schwarztraubers Enkel in der Pfalz tatsächlich
       Chianti an. Und in Schottland wächst rund um Loch Ness Riesling. Der
       Wingert auf Sylt ist dann längst schon Geschichte. Die angestiegene Nordsee
       hat ihn sich geholt.
       
       20 Aug 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) K.-P. Klingelschmitt
       
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