# taz.de -- Industrielobbyismus für Atomkraft: Die DAX-APO
> Mit einer Anzeigenkampagne will die Energie- und Industrielobby die
> geplante Atomsteuer aufhalten. Allerdings stößt die Anzeige in der
> Wirtschaft nicht nur auf Zustimmung.
(IMG) Bild: Nein, kein Swimming Pool: Reaktordruckbehälter im Atomkraftwerk Isar 2.
Führende Repräsentanten der Stromkonzerne sowie des Bundesverbandes der
Deutschen Industrie (BDI) starten an diesem Samstag eine Anzeigenkampagne.
In ganzseitigen Inseraten unter dem Titel "Energiepolitischer Appell
kämpfen sie gegen die geplante Brennelementesteuer und den Abbau von
Vergünstigungen für Unternehmen bei der Ökosteuer. Die Anzeigen sind als
offener Brief an Angela Merkel zu verstehen.
Da die Regierung in der Energiepolitik heillos zerstritten ist, sehen die
Lobbyisten nun die Chance, mit öffentlichem Druck bessere Konditionen für
die Atomkraft herauszuschlagen. Denn sie fürchten die Steuer auf
Atombrennstäbe, weil diese die Gewinne der Atomkonzerne um
Milliardenbeträge schrumpfen ließe. "Realistisch bleiben: Deutschland
braucht weiterhin Kernenergie und Kohle" ist daher die zentrale Botschaft
der mehr als 40 Unterzeichner - den Atomwirtschaftsbossen auch Vertreter
großer Energieverbraucher, etwa den Chefs von Bayer, ThyssenKrupp oder der
Deutschen Bahn. Finanzieren wird die Kampagne von ein Verein Namens
Energiezukunft für Deutschland e. V. (i.G.)", dem auch persönliche Kritiker
Merkels angehören, der einstige CDU-Politiker Friedrich Merz ebenso wie der
Chef des CDU-Wirtschaftsflügels, Kurt Lauk. Sie zählen zu den
Unterzeichnern wie Oliver Bierhoff.
Allerdings stößt die Anzeige in der deutschen Wirtschaft nicht nur auf
Zustimmung: "Der Inhalt passt nicht zu unserer Nachhaltigkeitsstrategie",
hieß es gestern aus einem großen Dax-Unternehmen. Über solche Anzeigen
lohne es nicht, den Konflikt mit der Politik zu suchen. Werner Dub,
Vorstand des Energiekonzernz MVV, sagte der taz, wer über
Laufzeitverlängerungen berate "darf das nicht mit der Lobby tun, also mit
den Chefs der Atomkonzerne". In Anspielung an ein Zitat von RWE-Chef Jürgen
Großmann forderte Dub von der Politik "klaren Verstand". Zusätzliche
Atomgewinne müssten abgeschöpft werden um der Marktkonzentration entgegen
zu wirken. Großmann hatte zuvor "klare Kante" gefordert. Der Verband
kommunalen Unternehmen (VKU)- Vertreter der Stadtwerken und kleinen
Energieversorger - sprach von einer "einseitig an den eigenen
wirtschaftlichen Interessen orientierte Aktion". VKU-Hauptgeschäftsführer
Hans-Joachim Reck sagte: "Mit pauschalen Aussagen in einer Anzeigenkampagne
wird man der Komplexität der Energiepolitik nicht gerecht. Ich fürchte,
diese Aktion wird den Akteuren in der Öffentlichkeit mehr schaden als
nutzen." Auch das Heiztechnik-Unternehmen Viessmann reagierte kritisch.
"Wir brauchen einen ausgewogenen Energiemix", sagte der
Generalbevollmächtigte Manfred Greis der taz. Wenn die Atomwirtschaft
zusätzliche Gewinne durch die Verlängerung der Laufzeiten der
Atomkraftwerke erziele, müsse die Politik davon auch einen Teil abschöpfen.
Die Bundesregierung reagierte mit demonstrativer Gelassenheit. "Die
Kanzlerin sieht in dieser Anzeige einen vollkommen erlaubten
Diskussionsbeitrag", sagte Sprecher Steffen Seibert. Schließlich hätten
auch die Gegner sich bereits lautstark zu Wort gemeldet.
Die Opposition kritisierten die Anzeige. SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach von
einer "beispiellosen Propagandawelle der vier Atomkonzerne", die ihre
Interessen "brutal durchsetzen" wollten. SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber
erklärte, Manager würfen per Anzeige "der Gesellschaft den Fehdehandschuh
hin."
20 Aug 2010
## AUTOREN
(DIR) B. Janzing
(DIR) H. Gersmann
(DIR) R. Rother
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