# taz.de -- Streit der Woche: Braucht Kultur Industrie?
       
       > Musik und Literatur werden meist noch in professionellen Strukturen
       > produziert. Wäre freie Selbstvermarktung besser? Oder sorgen nur Labels
       > und Verlage für notwendige Sicherheit?
       
 (IMG) Bild: Musiker aus der Fabrik: Castingshows wie "Deutschland sucht den Superstar" produzieren sie am laufenden Band.
       
       Am Montag beginnt die Berlin Music Week. Erstmals trifft sich die
       Musikszene auf der Konferenz [1][alltogethernow] und die Industrie auf der
       wiederbelebten Musikmesse [2][Popkomm] zum Tagen und Feiern. Gemeinsam
       wollen sie Überlebensstrategien der Branche diskutieren.
       
       Das ist notwendig. Denn die vergangenen Jahre haben die Musikindustrie
       stark verändert. Mit physikalischen Tonträgern lässt sich kaum mehr Geld
       verdienen, den Sprung ins Internetzeitalter haben viele Labels noch nicht
       vollzogen. Unterdessen werden immer Künstler durch Plattformen wie Myspace
       oder Youtube bekannt – bevor sie von großen Labels entdeckt werden.
       
       Andere Bands wie Angelika Express oder die Einstürzende Neubauten testen
       neue Wege der Veröffentlichung. Über Crowd-Funding sammelten sie Geld, um
       ihre Platten im Alleingang herauszubringen. Die britische Band Radiohead
       veröffentlichte ihr Album „In Rainbows“ 2007 ausschließlich im Netz.
       
       Fans konnten dabei den Preis für den Download selbst bestimmen – weit über
       eine Millionen Fans kauften die Platte. Zufrieden mit den Erlösen war die
       Band im Nachhinein dennoch nicht.
       
       Die Diskussion um Selbst- und Fremdbestimmung der Künstler und um kreative
       Prozesse im Abhängigkeitsverhältnis zur Industrie hat sich auch auf andere
       Kulturbereiche ausgeweitet. Bereits vor zehn Jahren stellt der US-Autor
       Stephen King seine Kurzgeschichte „Riding the Bullet“ exklusiv zum Download
       ins Netz – und erreichte damit mehr als 700.000 Leser.
       
       Auch Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek übte sich als Eigenverlegerin: Sie
       veröffentlichte ihren „Privatroman“ mit dem Titel „Neid“ seit 2007
       kapitelweise auf ihrer Homepage.
       
       Aus Sicht der Kreativen spricht für die Veröffentlichung im Alleingang vor
       allem die künstlerische Unabhängigkeit. Kein Verlag, der über
       Erscheinungszeitpunkt oder Covergestaltung bestimmt.
       
       Auch finanziell kann die unabhängige Veröffentlichung lohnen: Statt den
       sonst üblichen 10 Prozent pro verkauftem Buch landen beim Selbstverlag – je
       nach Plattform der Veröffentlichung – 40 bis 100 Prozent beim Autoren.
       MusikerInnen können sich ohne Abhängigkeitsverhältnis von Großlabels
       kreativ austoben, bekommen keine Vorgaben zum gewünschten Image oder zur
       Ausrichtung des Musikstil, müssen sich keinen Knebelverträgen unterwerfen
       oder ungewollte Imagekampagnen ertragen.
       
       Auf der anderen Seite bieten Verlage und Labels KünstlerInnen Sicherheit.
       Statt auf Marketing und Organisation können sie sich auf kreative Arbeit
       konzentrieren. Bücher in Eigenregie veröffentlichen ist weiter nur
       Randerscheinung im Literaturbetrieb, wirtschaftlich kaum rentabel.
       
       Auch die Bands und MusikerInnen, die ihre Platten unabhängig von Labels
       rausbringen tun dies oft aus purer Verzweiflung und Alternativlosigkeit
       heraus, weniger aus Überzeugung.
       
       Was meinen Sie – Braucht Kultur Industrie?
       
       31 Aug 2010
       
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