# taz.de -- Kein Gesinnungswandel: Münchner Neonazi frei
       
       > Der Neonazi Martin Wiese saß wegen Gründung einer terroristischen
       > Vereinigung sieben Jahre im Gefängnis. Jetzt ist er wieder frei -
       > gewandelt hat er sich nicht.
       
 (IMG) Bild: Zeigt keinerlei Gesinnungswandel, ist jetzt aber frei: NPD-Aktivist Martin Wiese.
       
       MÜNCHEN taz | So klingt keiner, der seine Gesinnung geändert hat. "Ich
       werde erst ruhen, wenn der Endsieg errungen ist", hat Martin Wiese in einem
       Brief aus seiner Gefängniszelle geschrieben. Zu sieben Jahren Haft war der
       Münchner Neonazi, Kopf der "Kameradschaft Süd" und NPD-Aktivist, als
       Anführer einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden. Wiese hatte
       2003 mit seinen Kameraden Waffen und Sprengstoff besorgt und war angeklagt,
       einen Anschlag auf die Grundsteinlegung der Synagoge am Münchner
       Jakobsplatz geplant zu haben. Damals sprach der bayerische Innenminister
       Günther Beckstein von einer "Braunen Armee Fraktion". Jetzt ist Martin
       Wiese wieder frei. Das bestätigt eine Sprecherin der JVA Bayreuth, in der
       Wiese seine Haft absaß.
       
       Eigentlich sollte der Neonazi diesen Mittwoch entlassen werden. Als Lohn
       für seinen Arbeitsdienst im Gefängnis sei Wiese bereits am 18. August
       freigekommen, so die Sprecherin. Wiese wird nach Medienberichten die
       kommenden fünf Jahre unter Führungsaufsicht gestellt. Das Münchner
       Oberlandesgericht hat demnach beschlossen, dass Wiese in dieser Zeit keinen
       Kontakt mit seinen alten Gesinnungsgenossen aus der rechten Szene haben
       dürfe. Doch der denkt gar nicht daran, sich aus der Szene zurückzuziehen.
       
       Über die rechte "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und
       deren Angehörige" hielt Wiese die Haft über engen Kontakt zu seinen
       Gesinnungsgenossen. Eine Gefangenenliste der Organisation führte Wiese in
       der Rubrik "Briefkontakt wünschen". In einem Interview mit der
       Neonazi-Publikation JVA-Report kündigte er aus dem Gefängnis heraus an:
       "Nach der Haft werde ich mich damit beschäftigen, meine Erfahrungen mit so
       vielen Kameraden wie möglich zu teilen und neue Wege im nationalpolitischen
       Kampf zu gehen." Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz rechnet
       fest damit, dass Wiese auch nach der abgesessenen Strafe eine aktive Rolle
       in der rechten Szene spielen wird. "Es gibt bei ihm keinen Gesinnungswandel
       - ganz im Gegenteil", sagt der stellvertretende Sprecher des
       Verfassungsschutzes, Sönke Meußer.
       
       Man könne das Kontaktverbot nicht 24 Stunden am Tag überwachen, so Meußer.
       Zudem beziehe sich die Auflage nur auf Wieses alte Kameraden. Es hindere
       ihn nicht daran, neue Anhänger um sich zu scharen. Das beste Beispiel für
       den Verfassungsschutz: der Neonazi Karl-Heinz S., Wieses rechte Hand in der
       "Schutzgruppe" der Kameradschaft Süd. Er wurde wie Wiese zu einer
       Haftstrafe verurteilt und im Anschluss mit einer ähnlichen Führungsauflage
       wie Wiese belegt. Seine Aktivität in der Szene konnte das kaum bremsen.
       Nach seiner Haft hat Karl-Heinz S. die "Kameradschaft München" gegründet.
       
       Trotz der Namensähnlichkeit sei dies keine Nachfolgeorganisation der
       Wiese-Gruppe, so Verfassungsschutzsprecher Meußer. Mit seinen neuen
       Kameraden trifft sich S. regelmäßig zu Stammtischen und hat nach Ansicht
       der Verfassungsschutzes die Fahrt Münchner Neonazis zum rechten
       "Trauermarsch" in Dresden organisiert.
       
       Auch Wiese dürfte wie seine alten Mitstreiter nach seiner Haft in der
       Münchner Kameradschaftsszene schnell wieder einen Platz finden. Die Szene
       verfügt nicht nur über einen regen Kern an radikalen Aktivisten, sondern
       auch über eine enge Verbindung zur NPD. Der NPD-Politiker Karl Richter
       sitzt für die Gruppierung "Bürgerinitiative Ausländerstopp" im Münchner
       Stadtrat, bei der auch Mitglieder der Freien Kameradschaften aktiv sind.
       Der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende sucht gezielt die Nähe zu den
       Kameradschaften. Erst im August hat Richter in Kellerräumen am Rande
       Münchens ein "Nationales Begegnungs- und Kulturzentrum" eröffnet - nach
       eigener Darstellung "ein Beitrag zur Einigung nationaler Gruppen" in der
       Stadt.
       
       6 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Hübner
       
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