# taz.de -- Debatte US-Blockade gegen Kuba: Wo der Kalte Krieg fortlebt
       
       > Kuba hat zwar viele Probleme, aber es achtet die Menschenrechte.
       > Westliche Gegner des sozialistischen Inselstaats machen es sich mit ihrer
       > Kritik deshalb oft viel zu einfach.
       
 (IMG) Bild: Müssen - anders als US-Bürger - keine Todesstrafe fürchten: Kubaner unter der Herrschaft von Fidel Castro.
       
       Wir wissen, dass auf Kuba hunderte Gefangene einsitzen - trotz
       internationaler Kritik, trotz Drucks humanistischer Organisationen. Sie
       sind nachweislich gefoltert worden, fast alle wurden unter ominösen
       Umständen inhaftiert. Viele sind inzwischen "frei", aber knapp 300 sitzen
       noch - und zwar in Guantánamo, in Käfigen der US-Regierung, bewacht und
       gefoltert von US-Soldaten und US-Geheimdienstlern. Das widerspricht den
       Wünschen Kubas, dem die Hafenregion gehört, die 1902 in Kolonialmanier von
       den USA in Form einer "Pacht" entwendet worden ist.
       
       Dieses Vorgehen der USA ist ein Beispiel dafür, dass sie alles versuchen,
       um der "Roten Insel" einen "Regime Change" aufzuzwingen. Die benachbarte
       Superpower greift aber auch zum "Zuckerbrot": Sobald Kubaner US-Boden
       betreten, bekommen sie Aufenthaltsrecht, Greencard und Unterstützung. Würde
       dies auch anderen Nachbarländern der USA gewährt, wäre Mexiko innerhalb von
       zwei Tagen menschenleer. Doch zu Mexiko haben die USA eine
       Hightech-Grenzanlage errichtet, an der jährlich hunderte Menschen umkommen.
       
       Terror gegen Kuba 
       
       Dauer und Intensität der US-Blockade gegen Kuba sind historisch einmalig,
       ihre Negativfolgen immens. Doch dieser Kontext wird in den westlichen
       Medien bestenfalls beiläufig erwähnt. Stattdessen soll Kuba mit einseitigen
       Berichten "sturmreif geschrieben" werden. So stürzen sich westliche Medien
       wie die Geier auf einen Satz, den Fidel Castro im Rahmen eines mehrtägigen
       Gesprächs einem US-Journalisten gegenüber geäußert haben soll: das
       kubanische Modell "funktioniere "nicht einmal mehr für uns". Zwar hat
       Castro klargestellt, dass er missverstanden worden sein. Doch westliche
       Medien feiern lieber die vermeintliche Bankrotterklärung des Máximo Líder.
       
       Ein weiteres Beispiel für den fragwürdigen Umgang mit Kuba ist die
       Politik-Justiz-Posse gegen fünf Kubaner in den USA. Nachdem Terrorattacken
       gegen Kuba Mitte der 1990er Jahre einen Höhepunkt erreicht hatten, waren
       diese Kubaner nach Florida gegangen, um rechte Exilgruppen zu beobachten
       und weiteren Terror zu verhindern. Kuba übergab in dieser Sache Dutzende
       von Akten an das FBI. Doch statt die Terrorgruppen zu bestrafen, wurden die
       fünf Kubaner weggesperrt - teils in Isolationshaft und ohne
       Besuchsmöglichkeiten.
       
       Nur vor dem Hintergrund dieses Kalten Kriegs gegen Kuba kann das System auf
       der Insel verstanden werden. Hierzu gehört das oft monierte
       Demokratiedefizit, das eine genaue und differenzierte Betrachtung verdient.
       Aus der Perspektive westdeutscher Schulbücher weist das kubanische
       Einparteien- und Wahlsystem tatsächlich Defizite auf. Gemessen aber an der
       Realität, die in westlichen Gesellschaften und Kubas Nachbarländern
       herrscht, sieht die Lage keineswegs so schwarz-weiß aus. Kuba ist relativ
       frei von Kapitallogik, frei von Hyperkonsum und Überausbeutung von Mensch
       und Natur, frei auch von Expansionismus inklusive Krieg. Gleichwohl hat
       Kuba jede Menge Probleme. Die aber werden ausgiebig debattiert, nach
       Auswegen wird gesucht. Das geschieht in unzähligen Nachbarschafts- und
       Betriebsversammlungen, die Julia Sweig (US Council on Foreign Relations)
       kürzlich als "enormous pulse-taking exercise" bezeichnete.
       
       Kubanische Selbstbestimmung 
       
       Kubas Demokratie weist ein besonderes System von "checks and balances" auf.
       Die Aufstellung von Kandidaten erfolgt in entsprechenden Versammlungen, auf
       unterer Ebene kandidieren keine Parteimitglieder, das Wahlalter beträgt
       sechszehn Jahre. Auch die im Volk verwurzelten Führungspersönlichkeiten
       sind sich der Herausforderungen und des Reformbedarfs bewusst, aber auch
       der äußeren Bedrohungen. Kubas Kurs sollte daher den Menschen auf Kuba
       überlassen werden - nicht der CIA, der Adenauer-Stiftung oder abgetakelten
       Exlinken im Westen.
       
       Schließlich weist Kuba im Vergleich zu seinen Nachbarn eine sehr positive
       Menschenrechtsbilanz auf. Die Berichte von Amnesty International, Human
       Rights Watch, ja selbst die CIA beweisen: Anders als in den USA wird auf
       Kuba keine Todesstrafe vollstreckt. Es gibt auch keine Folter, keine
       Entführungen und extralegale Hinrichtungen wie in vielen Nachbarländern;
       keine Morde an Journalisten oder Gewerkschaftern, keine Massaker an
       Regimegegnern oder Attentate auf Oppositionelle, keine Misshandlungen
       Homosexueller.
       
       Das schlechte linke Gewissen 
       
       Kubas eigenständiger sozialistischer Weg wird nicht nur von den Völkern der
       Region, sondern auch von ausländischen Fachleuten als Vorbild angesehen. So
       stuft das Global Footprint Network seit Jahren Kuba als einziges Land als
       "zukunftsfähig" ein, weil es sozial und ökologisch viel erreicht hat - mehr
       als kapitalistische Staaten. Auch die UN erkennen Kubas soziale,
       ökologische, kulturelle und politische Errungenschaften an. Doch im Westen
       wird das ignoriert, es würde ja eine Systemalternative stärken. Da ist das
       Thema Menschenrechte ein tolles Irritationswerkzeug. Wer ist schon gegen
       Menschenrechte? So entledigen sich Exlinke ihres schlechten Gewissens.
       
       Logisch, dass gerade jetzt wieder eine Kampagne gegen Kuba läuft: In
       Lateinamerika erstarken Linke, bei Obama bestand eine Chance für reale
       Verbesserungen der Beziehungen zu Kuba, und in der EU-Kommission sollte der
       "Gemeinsame Standpunkt" geändert werden, der eine Verbesserung der
       Beziehungen zu Kuba verhindert. Um dies zu unterlaufen, werden
       NGO-Vertreter aus den USA nach Kuba geschickt, um Hightech-Geräte an
       Regimegegner zu verteilen. Da wird ein normalkrimineller Häftling und
       dessen Hungerstreik (für TV-Gerät und Handy) zum Oppositionshelden
       hochstilisiert. Da werden die "Damen in Weiß" nicht als Bräute von
       einsitzenden Gesetzesbrechern, sondern zu Freiheitskämpferinnen stilisiert.
       Da wird eine vom systemfeindlichen Westen unterstützte Bloggerin als
       Lichtgestalt bejubelt.
       
       Es geht nicht darum, Kuba zu glorifizieren. Sondern dem Land eine faire
       Entwicklungschance zu lassen und die Subversion zu beenden. Aber die
       Hardliner des Westens blockieren genau dies - und vergießen dann
       Krokodilstränen.
       
       13 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Edgar Göll
       
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