# taz.de -- Island zwei Jahre nach dem Finanzkollaps: Anklage gegen Ex-Ministerpräsidenten
       
       > In Island bahnt sich ein Gerichtsverfahren gegen den
       > Ex-Ministerpräsidenten sowie drei MinisterInnen an. Sie sollen den
       > Finanzkollaps des Landes fahrlässig mitverursacht haben.
       
 (IMG) Bild: Da war er noch Ministerpräsident: Geir Haarde während einer öffentlichen Erklärung im Oktober 2008.
       
       STOCKHOLM taz | Wegen Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit dem Finanzkollaps,
       der Island an den Rand des Staatsbankrotts brachte, soll die damalige
       politische Führung nun vor Gericht gestellt werden. Das schlägt eine
       parlamentarische Untersuchungskommission vor, die die Rolle der Politik vor
       dem Zusammenbruch der isländischen Großbanken im Herbst 2008 unter die Lupe
       genommen hat. Das Fazit der Kommissionsmehrheit: Exregierungschef Geir
       Haarde und drei MinisterInnen seines Kabinetts treffe ein Mitverschulden.
       "Eine schwere Anklage", kommentiert die jetzige Ministerpräsidentin Jóhanna
       Sigurdardóttir.
       
       Stimmt eine Mehrheit des isländischen Parlaments, des Althings, zu - und
       die Mehrheitsverhältnisse machen das wahrscheinlich -, käme auf Island ein
       historisches Verfahren zu. Für Anklagen und Verfahren gegen PolitikerInnen
       wegen Verfehlungen in ihrer Amtsführung wäre der Landsdómur zuständig.
       Dieser Landesgerichtshof ist eine spezielle Institution, die 1905
       geschaffen wurde und seitdem noch nie zusammengerufen worden ist.
       
       In ihrem 274-seitigen Bericht wirft die Kommission dem damaligen
       Ministerpräsidenten Haarde vor, er habe bereits im Frühjahr 2008 gewusst,
       dass die isländischen Banken auf der Kippe standen. Weil er trotzdem nicht
       aktiv geworden sei, habe er gegen seine Amtspflichten verstoßen.
       
       Ex-Außenministerin Ingibjörg Sólrún Gísladóttir wird beschuldigt, als
       Vorsitzende der Sozialdemokraten über interne Informationen zur Lage der
       Glitnir-Bank verfügt zu haben, die sie dem damaligen Finanzmarktminister
       Björgvin G. Sigurdsson vorenthielt. Diesem wiederum wird angekreidet,
       selbst das, was er wusste, hätte ihn zum Eingreifen veranlassen müssen.
       Ebenso wie der vierte Beschuldigte, Ex-Finanzminister Árni M. Mathiesen,
       habe er über Informationen seitens der isländischen Zentralbank verfügt,
       wonach an der unhaltbaren Situation vor allem der Icesave-Bank kein Zweifel
       aufkommen konnte.
       
       Eine Kommissionsminderheit scheiterte mit ihrem Vorstoß, der gesamte
       Prozess, der in den Jahren 2002/03 zur Privatisierung der einst staatlichen
       Banken geführt hatte, solle unter die Lupe genommen werden. Und eine
       Mehrheit argumentierte darüber hinaus, auch die Führungen von Zentralbank
       und Finanzaufsicht hätten sich fahrlässig verhalten. Was allerdings nicht
       unter die Zuständigkeit des Landsdómur, sondern der normalen
       Gerichtsbarkeit fallen würde. Die Staatsanwaltschaft hat aber bereits
       entschieden, keine Anklage zu erheben. Begründung: Die Anklagen seien nicht
       konkret genug.
       
       Ex-Ministerpräsident Haarde verteidigt sich: Die Untersuchungskommission
       sage nicht, wie genau er sich in den fraglichen Entscheidungssituationen
       hätte anders verhalten können oder müssen. Im Übrigen sei er von den
       Bankmanagern so nach Strich und Faden belogen worden, wie ihm das in seiner
       langen politischen Laufbahn nie vorher passiert sei.
       
       16 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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