# taz.de -- Rechtsruck im holländischen TV: Staatsfernsehen vom Boulevard
       
       > Als würde die "Bild" in der ARD Programm machen: Der Konzern einer
       > holländischen Boulevardzeitung betreibt zwei neue öffentlich-rechtliche
       > TV-Sender - und kassiert dafür Steuergelder.
       
 (IMG) Bild: Fernsehen am rechten Rand: In Holland sind zwei neue Sender gestartet.
       
       AMSTERDAM taz | Gesellig ist es am Morgen im niederländischen Fernsehen
       nicht mehr. Die Kaffeemaschine ist weg, und selbst der Obstkorb mit den
       knallorangen Apfelsinen steht nicht mehr wie bisher im Studio. Seit
       September konfrontiert der neue öffentlich-rechtliche Sender WNL die
       Holländer mit der harten Realitä. Und die ist eisblau und rechts.
       
       WNL ist einer von zwei neuen rechten öffentlich-rechtlichen Sendern und
       bringt morgens außer den Stauberichten auch wichtige Neuigkeiten. Das sind
       vor allem die Schlagzeilen aus der Boulevardzeitung De Telegraaf.
       Auswahlkriterium ist offenbar nicht die Relevanz einer Nachricht, sondern
       einzig und allein das Mutterunternehmen des Senders.
       
       Zeitung und Sender sollen zwar strikt voneinander unabhängig sein. Das war
       eine Auflage der Medienbehörde bei der Lizenzvergabe. Doch wie ernst WNL
       die Auflage nimmt, kann man täglich sehen. Nicht nur die Themen, sondern
       auch die Interviewpartner kommen vorwiegend aus dem Stall des Telegraaf.
       Auch im wöchentlichen Politmagazin "Uitgesproken" will sich WNL mit rechten
       Themen und Meinungen profilieren und "die Stimme der unzufriedenen Mehrheit
       des Landes" sein. Es sind vor allem die Steckenpferde des Rechtspopulisten
       Geert Wilders: Kriminalität, Probleme bei der Integration und sogenannte
       linke Hobbys wie Entwicklungshilfe werden rigoros niedergemacht. Das alles
       wird in einer Kulisse präsentiert, die an die 50er Jahre erinnert, bloß
       ohne Rock 'n' Roll und gemütliche Nierentische.
       
       "Schlicht öde", meint der Medienjournalist Gijs Groentemann. "Da wird auf
       platte Weise polarisiert. Aber zu solchen Auswüchsen führt eben unser
       merkwürdiges Mediensystem." Dieses System stammt noch aus der Zeit, in der
       das gesamte gesellschaftliche Leben in vor allem konfessionellen Säulen
       organisiert war. Jeder lebte von der Wiege bis zur Bahre unter
       Gleichgesinnten, ging zum katholischen Schlachter, besuchte die reformierte
       Schule oder hörte das Arbeiterradio. Eine Art gut gemeinte Apartheid
       sozusagen.
       
       Reste der Säulen findet man noch im öffentlich-rechtlichen System. 22
       Rundfunkvereinigungen vertreten jeweils eine Interessengruppe und sollen so
       die Meinungsvielfalt garantieren. Unter bestimmten Bedingungen können auch
       neue Gruppierungen zugelassen werden. Und seit dem 6. September wird also
       das rechte Spektrum durch WNL vertreten - und durch PowNed. Pikanterweise
       kommt auch dieser Sender aus dem Telegraaf-Konzern. Es ist, als würde die
       Bild-Zeitung in der ARD Programme machen und dafür Steuergelder kassieren.
       
       PowNed ist eine Initiative der Internetplattform GeenStijl ("Kein Stil")
       und folgt dem Motto "tendenziös, unfundiert und unnötig kränkend".
       Allabendlich werden nun vor allem linke Politiker oder Befürworter der
       multikulturellen Gesellschaft gepackt oder "gepowned". Mit Mikrofonen und
       Kamera werden sie so lange verfolgt, bis sie genervt und emotional
       reagieren. Das schauen sich rund 200.000 Menschen an, vorwiegend Männer
       unter vierzig. Dazu sehen sie noch Unfälle, perverse Typen und vor allem
       sehr viele YouTube-Filme. Das alles hat den Charme eines Homevideos des
       lokalen Gymnastikvereins.
       
       Medienexperten kritisieren die einseitige und tendenziöse Berichterstattung
       beider Sender und warnen vor einem zu großen Einfluss der rechten
       Boulevardzeitung. Das hält Gijs Groentemann für übertrieben. "Der Telegraaf
       nutzt das System nur aus und will von den Steuergeldern profitieren." In
       fünf Jahren, wenn die Lizenz abläuft, sei der Spuk wieder vorbei. Die
       Einschaltquoten geben ihm vorerst recht. Die Holländer ziehen (noch) die
       traditionellen Nachrichtenmagazine vor.
       
       23 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annette Birschel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA