# taz.de -- Parlamentswahl in Venezuela: Kampf der Ängste
       
       > Venezuelas Opposition hofft darauf, bei der Parlamentswahl am Sonntag
       > gestärkt gegen Präsident Chávez hervorzugehen. Dieser bezeichnet sie als
       > revolutionsfeindlich.
       
 (IMG) Bild: Wahlkampf in der Provinz: der oppositionelle Gouverneur Henrique Capriles (m).
       
       BERLIN taz | Wenn am kommenden Sonntag in Venezuela Parlamentswahl ist,
       dann steht für die politische Entwicklung des Landes einiges auf dem Spiel.
       Zum ersten Mal sieht sich das Regierungslager um Präsident Hugo Chávez und
       seine Sozialistische Einheitspartei Venezuelas (PSUV) einer geeinten
       Opposition gegenüber, die tatsächlich auch antritt.
       
       Bei der letzten Parlamentswahl von 2005 hatten die Oppositionsparteien sich
       noch für einen Boykott unter Hinweis auf angeblich unsaubere
       Wahlmechanismen entschlossen. Im Ergebnis saß Chávez fester im Sattel als
       vorher und konnte im Parlament ohne jede Opposition durchbringen, was er
       wollte. Lediglich eine kleine Gruppe Parlamentarier, die aus dem
       Regierungsbündnis ausgeschert waren, vertrat die Opposition.
       
       Die venezolanische Verfassung sieht vor, dass wichtige Gesetze mit
       Zweidrittelmehrheit, Verfassungsänderungen mit drei Fünftel der Stimmen
       durchs Parlament gehen müssen. Ziel der Opposition ist es daher, wenigstens
       56 der insgesamt 165 Abgeordnetensitze zu erringen. 110 Abgeordnete werden
       direkt gewählt, 52 über Listen und drei sind indigenen Vertretern
       vorbehalten.
       
       Die Umfragen - inzwischen dürfen keine mehr veröffentlicht werden - geben
       je nach Auftraggeber unterschiedliche Prognosen ab. Sicher scheint, dass es
       recht knapp wird. In den letzten zwei Jahren haben sich die
       wirtschaftlichen Probleme Venezuelas verschärft.
       
       Die Popularität des Präsidenten und seiner "bolivarischen Revolution" hat
       darunter gelitten. Eine Trockenperiode im vergangenen Sommer, die die
       Arbeit der Wasserkraftwerke stark einschränkte und zu häufigen
       Stromabschaltungen in den Städten führte, steigerte die Unzufriedenheit.
       
       Sicher ist aber auch, dass Chávez weiterhin eine starke und aktive
       Anhängerschaft insbesondere in den armen Bevölkerungsschichten hat. Nur ein
       einziges Mal hat der Präsident eine Abstimmung verloren - das
       Verfassungsreferendum vom Dezember 2007.
       
       Die Opposition versucht, das Thema der Sicherheit im Wahlkampf für sich
       auszunutzen. Die Kriminalität - schon lange vor Chávez eine der höchsten
       Lateinamerikas - hat in den vergangenen Jahren schwindelerregend
       zugenommen. Mit jährlich 75 Morden pro 100.000 Einwohner liegt die Mordrate
       höher als in Kolumbien.
       
       Dazu kommt: Venezuelas Polizisten, schlecht ausgebildet und noch schlechter
       bezahlt, gelten als extrem korrupt. Auch die Regierung hat das Thema in den
       letzten Monaten erkannt und einige Maßnahmen in die Wege geleitet, wenn
       auch bislang mit geringem Erfolg.
       
       Chávez' PSUV, die im Bündnis mit der Kommunistischen Partei antritt und am
       Mittwoch mit einer Großkundgebung in Caracas ihren Wahlkampf offiziell
       beendete, setzte vor allem darauf, die Opposition als revolutionsfeindlich
       zu charakterisieren. Sollte sie gewinnen, hieß es etwa, würden die
       "sozialen Missionen", die überall in den Armenvierteln für günstige
       Lebensmittel, medizinische Versorgung und Bildungsprogramme zuständig sind,
       wieder abgeschafft werden.
       
       Und sollte die Opposition gar eine deutliche Mehrheit im Parlament und
       damit Zugriff auf den Obersten Gerichtshof bekommen, dann drohe Venezuela
       ein Putsch wie in Honduras, wo der Oberste Gerichtshof letztlich die
       Putschregierung absegnete.
       
       Auch die Opposition wartet mit Szenarien der Angst auf: Vor allem,
       verkünden Oppositionspolitiker und die ihnen nahestehenden Medien, müsse
       man mit Wahlbetrug rechnen. Das sehen die internationalen Beobachter anders
       - sie bescheinigen eine gute Vorbereitung. Allerdings hat die Regierung
       kürzlich die Wahlbezirke neu zugeschnitten - und dabei ihren Kandidaten
       einen klaren Vorteil verschafft.
       
       24 Sep 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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