# taz.de -- Protest gegen Fluglärm: Aufstand der Hausbesitzer
> Kleinmachnow und Zehlendorf sind das Zentrum des Protests gegen die
> geplanten Flugrouten in Schönefeld. Flugsicherung will Betroffene am
> Montag informieren.
(IMG) Bild: Nicht über meinem Dach: Gegen die geplanten BBI-Flugrouten formiert sich Protest
Er hat nicht lange gefackelt damals. Als die Bagger anrollten am
Kleinmachnower Weinberg und das Kopfsteinpflaster in Michael Lippoldts
Straße ausmerzen wollten, gründete der pensionierte Volkswirt binnen
Stunden eine Bürgerinitiative. Schaltete die Denkmalbehörde ein. Das
Fernsehen kam - und die Straße war gerettet. "Aufstand wirkt immer", sagt
Lippoldt. Deswegen hegt er auch Hoffnung, dass es noch etwas wird mit der
Änderung der Flugrouten. Dass die Flugzeuge nicht kurz nach dem Start am
Schönefelder Flughafen über seinen Garten und seine 100 Jahre alte Villa
düsen. Lippoldt hat wieder eine Bürgerinitiative gegründet. Die dritte ist
es, die seit Anfang September im Südwesten Berlins ins Leben gerufen wurde
und öffentlichkeitswirksam protestiert gegen die geplanten Flugrouten vom
neuen Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) aus.
Lippoldt und sechs weitere Gründungsmitglieder fanden sich am Abend der
ersten großen Demonstration am Kleinmachnower Rathausmarkt. Hunderte
Menschen kamen am 20. September, die Bürgermeister der
20.000-Einwohner-Gemeinde und des benachbarten Zehlendorf sprachen, die
Stimmung war friedlich, aber kämpferisch. "Der Zorn, der wirklich besteht,
der bringt die Menschen auf die Barrikaden", sagt Lippoldt. Zwei Wochen
vorher war bekannt geworden, dass die Flugsicherung plant, Flugzeuge nach
dem Abflug nicht geradeaus in Richtung Südosten beziehungsweise Nordwesten
fliegen zu lassen. Sie sollen stattdessen in einem 15-Grad-Winkel abknicken
und damit auch über den Berliner Südwesten fliegen.
Die Betroffenen erfuhren davon aus der Presse. "Wir waren völlig
überrascht", sagt der Kleinmachnower Bürgermeister Michael Grubert (SPD).
"Verbal" habe es in den vergangenen Jahren stets geheißen, die Routen
verliefen parallel - damit bliebe der Berliner Süden verschont. Auch der in
den Plänen dargestellte Lärmkorridor lasse nur den Schluss zu, dass die
Abflüge ohne Knick laufen. Der Bürgermeister hat die gleiche Grafik vor
sich, die auch bei Lippert in seiner Villa auf dem Esszimmertisch liegt.
Der Pensionär bestätigt: "Noch vor zwei Jahren hat man Hauskäufern erzählt,
ihnen bleibe der Fluglärm erspart, die Leute haben sich doch erkundigt."
Wütend macht ihn das, und es treibt ihn genauso um wie Marela Bone-Winkel.
Die promovierte Wirtschafts- und Politikwissenschaftlerin startete die
erste Initiative. "Wir protestieren, damit das Thema in die politischen
Gremien kommt." Bone-Winkel kommt zum einen vom Fach, sie hat sich
eingearbeitet; zum anderen hat sie sich zügig Unterstützung geholt - und
zwar von dem Anwalt, der den Senat mit dem Antrag für ein
Kita-Volksbegehren erfolgreich unter Druck setzte. Während des Gesprächs in
Nikolassee klingelt mehrfach Bone-Winkels Mobiltelefon, Politiker melden
sich, Mitstreiter. Die vierfache Mutter erzählt von Piloten, die sie mit
Informationen gefüttert hätten, von Kontakten mit Betroffenen in anderen
Flughafengemeinden. Innerhalb weniger Wochen hat sie sich zur
Profi-Aktivistin entwickelt. "Ich habe das vorher auch noch nicht gemacht",
sagt sie. Es klingt wie eine Entschuldigung für den Erfolg der Initiative.
Inzwischen sammelt Bürgermeister Grubert Unterschriften, sein Zehlendorfer
Kollege Norbert Kopp (CDU) ruft Anfang Oktober zur Protestkundgebung. Die
Deutsche Flugsicherung, auf deren Konto die Routenplanung geht, hat
Einlenken signalisiert und die Bürgermeister nachträglich zu einer
Informationsveranstaltung heute Nachmittag eingeladen. Schnelle Erfolge,
von denen protestierende Bürger in Flughafen-Anrainergemeinden wie
Blankenfelde träumen. Über sie hieß es jahrelang nur: Selber Schuld, ihr
wusstet doch, dass der Flughafen kommt."
"Wir aber fühlen uns getäuscht, uns hat man anderes erzählt", erklärt
Bürgermeister Grubert im Kleinmachnower Rathaus den schnellen und lauten
Protest. Anne von Törne sieht einen weiteren Grund: "Wenn es sie direkt
betrifft, sind die Menschen hier schnell dabei", sagt sie. Von Törne sitzt
dem parteiunabhängigen Verein "Bürger für Lebensqualität in Kleinmachnow"
vor, der im Gemeindeparlament vertreten ist. Die meisten Menschen in der
Gegend sind gebildet, sie arbeiten sich schnell in Sachverhalte ein, können
organisieren. Und wer sich keine Sorgen um die eigene materielle Grundlage
machen muss, hat Zeit und Energie für ehrenamtliches Engagement - vor
allem, wenn es ums Eigeninteresse geht. Für den Ausbau der Schleuse im Ort
interessierte sich kaum einer dafür, obwohl Millionenbeträge auf dem Spiel
standen.
Nun aber fürchten sie um die Ruhe, in die sie aus der Großstadthektik
flüchteten, und um den Wert ihrer Grundstücke. Zwar weiß keiner genau, wie
tief die Flugzeuge wirklich fliegen sollen. Aber das Misstrauen ist nach
den Ereignissen der letzten Wochen groß. Bürgermeister Grubert greift die
Empörung seiner Gemeinde gern auf. Über die Demonstration vor einer Woche
hat er per Postwurfsendung informiert, nun will er den Bürgerinitiativen
ein Büro zur Verfügung stellen.
Grubert wohnt selbst in Kleinmachnow - er ist also nicht nur Bürgermeister,
sondern auch Betroffener.
26 Sep 2010
## AUTOREN
(DIR) Kristina Pezzei
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