# taz.de -- Wilders in Berlin: Radikal in der Mitte der Gesellschaft
       
       > Am Samstag besucht der niederländische Islamkritiker Geert Wilders
       > Berlin. In Den Haag sorgt er mit seinen Thesen schon lange für Aufruhr.
       
 (IMG) Bild: Will auch in Berlin den Islam kritisieren: Geert Wilders
       
       "Im Zentrum des Einflusses" wähnte Geert Wilders sich diese Woche
       angekommen: Seine rechtspopulistische "Partij voor de Vrijheid" (PVV) wird
       künftig die Minderheitsregierung in Den Haag tolerieren. Wilders und die
       PVV sind damit auf dem vorläufigen Höhepunkt ihres Aufstiegs angelangt. Und
       in einer komfortablen Position dazu: Für ihre Unterstützung bekommt die PVV
       Mitsprache in ihrem Kerngeschäft, Zuwanderungsbeschränkung und Integration.
       Regierungsverantwortung müssen sie nicht übernehmen.
       
       Ein typisches Beispiel für Wilders Inszenierung: Selbst seine Gegner
       betrachten ihn nach den jüngsten Entwicklungen als "heimlichen Premier".
       Doch er geriert sich als Außenseiter, der der abgehobenen Elite in Den Haag
       die Leviten liest. In einer Sprache, die alle schockiert - etablierte
       Politiker, liberale Journalisten, kosmopolitische Künstler. Und die
       gleichzeitig verstanden wird von "Henk und Ingrid", den vermeintlich
       normalen Niederländern, zu deren Anwalt sich Wilders im letzten Wahlkampf
       erklärte.
       
       Der 47-Jährige stammt aus Venlo in der Provinz, arbeitete einst beim
       niederländischen Krankenkassenrat und galt als talentierter Tennisspieler.
       Wie Henk und Ingrid, so wurde auch Wilders lange belächelt. Für seine
       ländliche Herkunft, seine Affinität zu Wasserstoff-Peroxid und für seine
       Warnungen vor dem militanten Islam, die er bereits als junger Abgeordneter
       der rechtsliberalen VVD aussprach. Vor dem 11. September galt Wilders
       vielen Parlamentskollegen als Freak. Danach aber wurden seine Positionen
       mehr und mehr salonfähig - wobei Wilders mit seiner radikalen Rhetorik dem
       jeweils Salonfähigen stets einige Schritte voraus war.
       
       Er schimpfte immer wieder auf den Islam und die Muslime, diskriminierte
       insbesondere marokkanische und türkische Zuwanderer. Regelmäßig löste er
       Empörungswellen aus, die mit stets größerem Radius auch über die
       Niederlande hinaus reichten. Hinzu kamen die Todesdrohungen von
       Fundamentalisten, deretwegen er seit sechs Jahren rund um die Uhr bewacht
       wird - all das macht Wilders zu einem Phänomen, dessen inhaltliche Facetten
       meist hinter seinem skandalös-schrillen Erscheinungsbild verschwinden.
       
       Wilders ist keineswegs nur mit der Bekämpfung der vermeintlichen
       Islamisierung beschäftigt, ihm geht es auch ganz allgemein um weniger
       Migranten. Er propagiert das Bild einer guten alten Zeit kultureller
       Homogenität. Sein selbst inszenierter Kampf für die Meinungsfreiheit bringt
       ihm die Bewunderung auch sehr liberaler Intellektueller ein. Gleichzeitig
       orgelt er mit Evergreens wie "härtere Strafen" und "mehr Polizei" auf der
       trivialsten aller Law-and-Order-Klaviaturen.
       
       In den letzten Jahren ist Wilders zunehmend von den neoliberalen
       Standpunkten seiner alten Partei, der VVD, abgerückt. Die 2005 von ihm
       gegründete PVV, die er als "Bewegung" versteht und die außer ihm keine
       Mitglieder kennt, hat ein deutlich sozialeres Profil. Völkische Züge sucht
       man in der Wildersschen Agenda jedoch vergeblich. Die besonders in
       Deutschland bemühten NS-Vergleiche werden ihm nicht gerecht, denn der
       erklärte Israelfreund Wilders tritt in den Niederlanden auch deutlich gegen
       Antisemitismus und Homophobie in Erscheinung.
       
       In Berlin will Geert Wilders am Samstag über die Gefahr des politischen
       Islam sprechen. Nächste Woche hat er dafür ein anderes Publikum: Dann
       nämlich steht Wilders in Amsterdam wegen Volksverhetzung und
       Diskriminierung von Muslimen vor Gericht.
       
       1 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Müller
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA