# taz.de -- Kommentar Literaturnobelpreis Vargas Llosa: Späte Ehre für einen Dinosaurier
       
       > Hätte man dem peruanischen Romancier Mario Vargas Llosa 1972 den
       > Nobelpreis für Literatur verliehen - das wäre spannend gewesen. Doch
       > heute ist seine große Zeit lange vorüber.
       
 (IMG) Bild: Sieht gar nicht so aus, aber Mario Vargas Llosa kann Folterszenen ziemlich detailliert beschreiben.
       
       Als er in den Sechzigerjahren neben Carlos Fuentes oder Gabriel García
       Márquez die literarische Bühne betrat, bewies er mit Romanen wie "Die Stadt
       und die Hunde" ein großes Gespür dafür, wie der bedrückenden Gegenwart
       Lateinamerikas mit sprachlichen Mitteln beizukommen wäre. Und 1971 zeigte
       er Mut, als er sich im "Fall Padilla" von den diktatorischen Tendenzen des
       kubanischen Regimes abgrenzte und sich damit bei vielen tonangebenden
       Intellektuellen unmöglich machte. Hätte man dem peruanischen Romancier
       Mario Vargas Llosa 1972 den Nobelpreis für Literatur verliehen - das wäre
       spannend gewesen.
       
       Doch die große Zeit des Mario Vargas Llosa ist lange vorüber, seine
       literarische Bilanz seither sehr durchwachsen. Neben instruktiven Essays
       über Victor Hugo oder Juan Carlos Onetti und mitreißenden Romanen wie "Der
       Krieg am Ende der Welt" sind auch Tiefschläge wie "Tod in den Anden", "Das
       Fest des Ziegenbocks" und "Das böse Mädchen" zu verzeichnen. Sie kranken
       vor allem daran, dass der Autor seine Einfälle immer routinierter abspult
       und sich dabei nicht mehr gefeit zeigt vor Banalitäten und Klischees. Kurz:
       dass er auf ein Publikum vertraut, welches wenig Interesse daran zeigt,
       sich überraschen zu lassen.
       
       Das lateinamerikanische Erzählen hat sich seit der "Boom-Generation" von
       Márquez & Co stark weiterentwickelt. Die argentinischen Titel auf der
       Frankfurter Buchmesse zeigen: Der Anspruch, mit "großen" Romanen die ganze
       Welt erklären zu wollen, ist vom Tisch. Mit ihm haben auch die
       großherrlichen Autoren an Einfluss verloren, die ihn hochhielten. Dass mit
       Vargas Llosa nun ausgerechnet der Dinosaurier dieser Generation
       ausgezeichnet wird, ist eine bittere Pille.
       
       Merkwürdig ist zudem, dass mit Vargas Llosa gerade jetzt der intellektuelle
       Anhänger einer ultraliberalen Wirtschaftspolitik prämiert wird. Vargas
       Llosas Kritik an den nationalistischen Auswüchsen im Lateinamerika von
       heute ist gut begründet. Aber sein Freiheitsglaube steht jener
       Staatsgläubigkeit, die er bekämpft, an Naivität kaum nach. In einer Zeit,
       in der lateinamerikanische Regierungen versuchen, überhaupt erst wieder
       handlungsfähig zu werden, ist seine Auszeichnung ein falsches Signal.
       
       7 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Valentin Schönherr
       
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