# taz.de -- UN-Konferenz zum Artenschutz: Entwicklungsländer gegen Konzerne
       
       > Schluss mit der Ausbeutung durch Pharmakonzerne: Das fordern die
       > Entwicklungsländer bei der UN-Artenschutz-Konferenz. Dort steht auch
       > Deutschland in der Kritik.
       
 (IMG) Bild: Wem gehört die Natur? Urwald auf der Antilleninsel Dominica.
       
       BERLIN taz | Die Entwicklungsländer sind mit ihrer Geduld am Ende. Vor 18
       Jahren beschloss die Weltgemeinschaft in Rio, dass jeder Staat das Recht
       hat zu entscheiden, wie und ob die biologische Vielfalt auf seinem
       Territorium genutzt wird.
       
       Nur: Inzwischen steht zwar prinzipiell fest, dass Firmen, die aus Pflanzen,
       Tieren oder deren Genen Medikamente oder andere Produkte entwickeln, mit
       den Ursprungsländern verhandeln und einen Teil der Gewinne abgeben müssen.
       Die Industrieländer haben aber wenig für die Umsetzung getan. Die
       Biopiraten sind in der Regel Pharma- und Kosmetikfirmen – mit starker
       Lobby.
       
       Jetzt haben die Länder des Südens unter der Federführung von Brasilien
       angekündigt, dass sie auf der 10. UN-Biodiversitätskonferenz im japanischen
       Nagoya jede andere Vereinbarung blockieren, wenn es im Kampf gegen
       Biopiraterie nicht zu konkreten Regeln kommt. Die Versammlung startet heute
       und dauert zwei Wochen.
       
       Erstmals liegt Entwurf vor 
       
       Immerhin liegt erstmals ein konkreter Entwurf zum Thema "gerechter
       Vorteilsausgleich" auf dem Tisch. Einfach wird ein Abschluss aber nicht.
       Zum einen fordern indigene Völker, dass auch sie - und nicht allein die
       Regierungen ihrer Länder - sowohl an den Verhandlungen als auch an den
       Gewinnen zu beteiligen sind. Schließlich ist es oft ihr traditionelles
       Wissen, das genutzt wird.
       
       Zum Zweiten gehen die Positionen weit auseinander, wie mit bisherigen
       Fällen von Biopiraterie zu verfahren ist. Die Industrieländer wollen, dass
       nur künftige Fälle geregelt werden - denn Nachforderungen etwa beim
       Bronchitismittel Umckaloabo, das aus einer in Südafrika heimischen
       Geranienart hergestellt wird, würden für die Hersteller teuer. Knifflig ist
       außerdem, das Protokoll so zu formulieren, dass es nicht mit anderen
       internationalen Verträgen kollidiert. Vor allem der Patentschutz gilt den
       Industrieländern als extrem hohes Gut.
       
       Mit der Eröffnung der Konferenz in Nagoya endet die deutsche
       Präsidentschaft. Fortschritte in den letzten zwei Jahren gab es in punkto
       Ausweitung von Schutzgebieten. Auch wurden Berichte verfasst, die den
       ökonomischen Wert biologischer Vielfalt dokumentieren. Doch der Plan, den
       weltweiten Artenschwund zu bremsen oder am besten zu stoppen, wie es die EU
       forderte, wurde verfehlt.
       
       Hier drängen die Industrieländer auf einen neuen strategischen Plan. Auch
       die Ausweitung weiterer Reservate ist ihnen ein Anliegen. Damit das
       gelingen kann, müssten sie allerdings mehr Geld zur Verfügung stellen als
       bisher. "Gelder für Klimaschutz, Entwicklungshilfe und zur Erhaltung der
       Biodiversität werden oft einfach mehrfach ausgewiesen", beschreibt Nicola
       Uhde vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) einen typischen
       Taschenspielertrick.
       
       Während die Bundesregierung sich auf internationalem Parkett als
       Vorreiterin ausgibt, sieht es zu Hause schlecht aus. Das geht aus dem
       "Indikatorenbericht zur biologischen Vielfalt", hervor, den Deutschland
       eigentlich vor der Konferenz in Japan veröffentlichen musste.
       
       Die Regierung ließ das Papier aber lieber in der Schublade verschwinden.
       Der taz liegt es dennoch vor. Bei 12 von 13 Indikatoren bescheinigen die
       Wissenschaftler Deutschland einen geringen oder sehr geringen Grad, was das
       Erreichen der vor zwei Jahren formulierten Ziele angeht. "Die wichtigsten
       Ursachen für den Rückgang der Artenvielfalt sind die Intensivierung der
       land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, die Zerschneidung und Zersiedelung
       der Landschaft, die Versiegelung von Flächen sowie Stoffeinträge", schreibt
       das beauftragte Münchner Institut.
       
       Rote Listen immer länger 
       
       Vor allem der Einsatz von Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft
       erweist sich als Artenkiller, wie auch eine gerade veröffentlichte
       europaweite Studie der Uni Göttingen belegt. Seit Mitte der 70er Jahre sind
       viele Vogelbestände massiv geschrumpft, die roten Listen wurden immer
       länger.
       
       Die Autoren des Indikatorenberichts sind pessimistisch: "Wegen des Wegfalls
       der obligatorischen Flächenstilllegungen in der EU, des deutlich
       gesteigerten Anbaus von Energiepflanzen und des verstärkten
       Grünlandumbruchs (ist) in naher Zukunft eher eine Verschlechterung als eine
       Verbesserung der Situation zu erwarten."
       
       Darüber hinaus werden in Deutschland täglich nach wie vor 104 Hektar
       asphaltiert oder anderweitig bebaut. Da hilft es dann nur wenig, dass 4,1
       Prozent der Flächen in Deutschland inzwischen Schutzgebiete sind.
       
       18 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annette Jensen
       
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