# taz.de -- Streit der Woche: Verhindert der Medienpranger Sexualstraftaten?
       
       > RTL2 will mit „Tatort Internet“ mutmaßliche Pädophile enttarnen,
       > Boulevardzeitungen spüren freigelassene Sexualstraftäter auf. Ihr
       > erklärtes Ziel: potenzielle Opfer schützen.
       
 (IMG) Bild: Stephanie zu Guttenberg kämpft öffentlich gegen Kindesmissbrauch - mit Buch und RTL2.
       
       In Sachen Grenzüberschreitungen ist RTL2 kein unbeschriebenes Blatt. Der
       Sender hat sich mit Formaten wie Big Brother und zahlreichen recht
       freizügigen Dokumentations-Formaten bei den Medienschützern der Republik
       einen veritablen Ruf als enfant terrible erspielt. Bei RTL2 weiß man: Sex
       sells. Und Crime auch.
       
       Wenn nun in „Tatort Internet“ Männer vor die Kamera gelockt werden, die in
       Chats zwölf- bis dreizehnjährige Mädchen angesprochen haben – dann
       verfolgen die Macher der Sendung nach eigenen Angaben aber vor allem einen
       guten Zweck: Um Aufklärung gehe es bei dem Format, sagt etwa Ministergattin
       Stephanie zu Guttenberg, die die Sendung moderiert. Eltern sollen für die
       Gefahren des Internets sensibilisiert werden, um ihre Kinder besser
       schützen zu können.
       
       Auch Boulevardzeitungen behaupten, sie handelten aus diesen Motiven, wenn
       sie aus der Sicherungsverwahrung entlassene Sexualstraftäter aufspüren und
       ihren Aufenthaltsort publik machen. Durch öffentliches Interesse wollen
       Boulevardreporter Kontrolle über potenzielle Wiederholungstäter ausüben.
       Ein Muster, das etwa bei der Freilassung des vorbestraften Vergewaltigers
       Karl D. im Januar 2010 zu beobachten war. Und von Organisationen wie
       „familywatchdog“ praktiziert wird, die in den USA umfangreiche Listen mit
       den Wohnorten verurteilter Sexualstraftäter publizieren. Aus ihrer Sicht:
       Information zum Schutze potenzieller Opfer.
       
       Politiker wie Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
       äußern allerdings Bedenken: Der mit der Sendung „Tatort Internet“
       errichtete Medienpranger berge Gefahren, sagte die Ministerin am Dienstag.
       So sei etwa eine Vorverurteilung Unschuldiger möglich. Schließlich gilt
       auch für vermeintliche Sexualstraftäter die Unschuldsvermutung: Urteile
       fällen Gerichte, nicht Fernsehsender. Persönlichkeitsrechte der
       Beschuldigten können während solcher modernen Medienjagden allerdings
       leicht in Vergessenheit geraten.
       
       Welch gravierendere Folgen eine Zurschaustellung haben kann, das wird am
       Beispiel des in „Tatort Internet“ aufgespürten mutmaßlichen Pädophilen
       deutlich: Der Mann wurde mittlerweile von seinem Arbeitgeber Caritas
       entlassen, und als vermisst gemeldet.
       
       Einige Beobachter halten „Hetzjagden“ auf die Zurschaugestellten für
       möglich. Das gilt freilich auch für freigelassene Sexualstraftäter. Es geht
       also darum, was höher einzuschätzen ist: Der Schutz der Persönlichkeit und
       die rechtsstaatliche Unschuldsvermutung auch für vermeintliche potenzielle
       Straftäter – oder der Schutz potenzieller Opfer sexuellen Missbrauchs. Und
       es geht um die Frage, ob öffentliche Stigmatisierung überhaupt ein
       wirksames Mittel ist, um potenzielle Sexualstraftäter zu bremsen.
       
       Was meinen Sie: Verhindert der Medienpranger Sexualstraftaten?
       
       19 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Florian Naumann
       
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