# taz.de -- Wulffs Staatsbesuch in der Türkei: Innenpolitik aus Ankara
       
       > Bundespräsident Wulff wendet sich vor dem türkischen Parlament vor allem
       > ans Publikum zu Hause - und zu allererst an Horst Seehofer.
       
 (IMG) Bild: Dankbar für die Leistung der Türken: Wulff im Präsidentenpalast in Ankara – hier mit Hayrünnisa Gül, der Frau des türkischen Präsidenten.
       
       ISTANBUL taz | "Einwanderer aus der Türkei sind in Deutschland willkommen.
       Sie gehören zu unserem Land, sie sind bei uns nicht mehr wegzudenken, und
       wir sind ihnen für ihre Arbeit beim Aufbau der Bundesrepublik zu Dank
       verpflichtet." Mit eindeutigen Worten hat sich Bundespräsident Christian
       Wulff am ersten Tag seines Staatsbesuchs am Dienstag zu den Einwanderern
       aus der Türkei bekannt.
       
       Bei der mit Spannung erwarteten Rede – es war die erste Rede eines
       deutschen Präsidenten vor dem türkischen Parlament – richtete sich Wulff
       streckenweise mehr an das heimische Publikum als an die Parlamentarier vor
       ihm.
       
       Deutlicher noch als in seinem ebenfalls am Dienstag erschienenen Interview
       mit der Tageszeitung Hürriyet wandte er sich im Parlament gegen die
       Aussagen des CSU-Chefs Horst Seehofer. Ausdrücklich würdigte Wulff die
       hervorragende Arbeit, die viele Einwanderer jahrzehntelang geleistet
       hätten. Seehofer erklärte dagegen gestern noch am Rande einer
       CSU-Fraktionssitzung, er werde bei seiner Meinung bleiben, wolle die Rede
       des Bundespräsidenten aber nicht kommentieren.
       
       Darüber hinaus versicherte Wulff den türkischen Abgeordneten, dass niemand
       in Deutschland gezwungen werde, seine kulturelle Identität aufzugeben. "Wir
       erwarten allerdings", so der Präsident, "dass alle Einwanderer sich an
       unsere Regeln halten, die Verfassung achten, die Sprache lernen und Werte
       wie die Gleichberechtigung der Geschlechter akzeptieren."
       
       Wulf dankte dem türkischen Präsidenten Gül, der die türkischen Einwanderer
       in Deutschland ausdrücklich dazu aufgefordert hatte, sich nicht zu
       isolieren und die deutsche Sprache zu lernen. Wulff betonte, dass zukünftig
       auch in Deutschland Imame ausgebildet würden, die mit dazu beitragen
       würden, dass es zu "keinen falschen Konfrontationen kommt".
       
       Von den türkischen Abgeordneten wünschte sich Wulff, den Christen in der
       Türkei genauso in "Würde und Freiheit" die Ausübung ihrer Religion zu
       ermöglichen, wie das in Deutschland für die Muslime auch der Fall sein
       soll. Der Bundespräsident wird nach seinem Programm in Ankara an einem
       ökumenischen Gottesdienst in der Pauluskirche in Tarsus am Mittelmeer
       teilnehmen. Gül hatte schon in der Pressekonferenz im Anschluss an das
       Gespräch mit Wulff erklärt, er sei natürlich auch der Präsident der
       christlichen und jüdischen Minderheiten in der Türkei.
       
       Zu den Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU, die in seiner
       Partei ebenfalls sehr umstritten sind, blieb Wulff dagegen eher vage. Er
       behauptete zwar, Deutschland habe ein herausragendes Interesse, die Türkei
       an Europa zu binden, beließ es dann aber bei der Forderung, der
       Beitrittsprozess müsse fair und ergebnisoffen geführt werden.
       
       Mehr Emphase legte er in die Zukunft der bilateralen Beziehungen. Er wolle
       sich in seiner Präsidentschaft dafür einsetzen, "den deutsch-türkischen
       Beziehungen und der Freundschaft zwischen beiden Ländern noch mehr Gewicht
       zu verleihen".
       
       Christian Wulff war am Montagabend zusammen mit seiner Frau Bettina in
       Ankara angekommen und begann den offiziellen Teil des Besuchs am Morgen mit
       einem Empfang beim türkischen Präsidenten. Dabei wurde das Präsidentenpaar,
       erstmals seit Abdullah Gül vor drei Jahren sein Amt antrat, gemeinsam von
       Gül und dessen Frau Hayrünnisa begrüßt, die wegen ihres islamischen
       Kopftuches bislang nicht an Empfängen mit militärischen Ehren teilgenommen
       hatte.
       
       19 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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