# taz.de -- Abstimmung im EU-Parlament: Mehrheit für längeren Mutterschutz
       
       > Das EU-Parlament hat mit äußerst knapper Mehrheit einen längeren
       > Mutterschutz beschlossen. Endgültig verabschiedet ist der Beschluss damit
       > aber noch nicht.
       
 (IMG) Bild: Abstimmung im EU-Parlament: Befürworter zeigten sich mit rosa Ballons.
       
       Der gesetzliche Schwangerschaftsurlaub soll künftig EU-weit mindestens 20
       Wochen dauern - bei vollem Lohnausgleich. Bislang waren es mindestens 14
       Wochen. Väter sollen Anspruch auf zwei Wochen Vaterschaftsurlaub haben.
       Länder wie Schweden oder Deutschland erhalten für ihre Elterngeldregelungen
       einen Rabatt. Selbstständige müssen keine Babypause machen.
       
       Das EU-Parlament einigte sich gestern nach hitzigen Diskussionen auf diese
       Eckpunkte. Nun müssen sich die Mitgliedsstaaten im Ministerrat eine Meinung
       bilden. Danach werden Rat und Parlament einen Kompromiss suchen - wie lange
       das dauern wird, kann man nicht sagen. Die EU-Kommission hatte ursprünglich
       18 Wochen Mindesturlaub und einen finanziellen Ausgleich in Höhe des
       Krankengelds vorgeschlagen.
       
       Befürworter der 20 Wochen hatten vor der Abstimmung jedem Abgeordneten
       einen rosa Ballon in die Hand gedrückt, der ein lächelndes Schnullerbaby
       zeigt. Die Aktion überzeugte längst nicht alle. Mit nur sieben Stimmen
       Mehrheit wurde der Vorschlag des Frauenausschusses denkbar knapp
       angenommen.
       
       In einem Brief an die Abgeordneten hatte die zuständige EU-Kommissarin
       Viviane Reding zuvor für die von ihr favorisierten 18 Wochen geworben. Sie
       seien ein guter Kompromiss zwischen der gesundheitlichen Fürsorge für
       Mutter und Kind, der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und den für das
       jeweilige Land und die Arbeitgeber entstehenden Kosten.
       
       Nach Berechnungen der Kommission kämen auf Deutschland Mehrbelastungen von
       1,7 Milliarden Euro jährlich zu, auf Frankreich 2 Milliarden und auf
       Großbritannien 2,85 Milliarden. Diese Kosten könnten nicht auf die
       Unternehmen abgewälzt werden, so Reding.
       
       Thomas Händel von der Linkspartei nannte diese Kostendiskussion "absurd."
       Um 1,04 Prozent müsse sich die Frauenerwerbsquote erhöhen, um die
       Zusatzkosten zu neutralisieren. Die EU-Kommission rechne in ihren Prognosen
       mit deutlich höheren Zuwächsen.
       
       Die deutsche FDP-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin warnte hingegen vor neuen
       Lohnzusatzkosten. Auch schmälere ein erweiterter Mutterschutz die
       Arbeitsmarktchancen von jungen Frauen, "weil es sich ein kleines oder
       mittleres Unternehmen dann doppelt und dreifach überlegt, eine Frau
       einzustellen", glaubt die Politikerin, die selbst zwei kleine Kinder hat.
       
       Unter anderem aus diesem Grund hatten auch sozialdemokratische und
       christdemokratische deutsche Abgeordnete den Vorschlag abgelehnt. Sie
       votierten stattdessen dafür, dass Länder mit einem gut funktionierenden
       Alternativsystem wie der deutschen Elterngeldregelung einen "Rabatt" von
       vier Wochen auf die Mindestbabypause bekommen sollen.
       
       Bleibt es dabei, dann müsste Deutschland die gesetzliche Babypause
       lediglich um zwei Wochen auf 16 Wochen verlängern. Die Mehrkosten wären
       gering. Auch dieser Vorschlag erhielt eine knappe Mehrheit.
       
       Die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler, ebenfalls berufstätige Mutter, zeigte
       sich damit sehr zufrieden. "Das erlaubt den Mitgliedsstaaten Flexibilität
       für nationale anders gestaltete Familiensysteme wie das Elterngeld", sagte
       sie der taz. Angesichts der knappen Mehrheiten sei ohnehin das letzte Wort
       noch nicht gesprochen. Es sei gut möglich, dass der Rat wieder auf den
       ursprünglichen Kommissionsvorschlag zurückkomme.
       
       Deutschland, Malta und ausgerechnet das als sozial so fortschrittlich
       geltende Schweden bilden derzeit mit 14 Wochen das Schlusslicht beim
       gesetzlichen Schwangerschaftsurlaub. Die mit weitem Abstand großzügigste
       Regelung gibt es in Bulgarien. Dort hat eine Frau Anrecht auf mindestens 45
       Wochen Babypause. Die meisten Mitgliedsstaaten aber liegen unter den jetzt
       vom EU-Parlament angestrebten 20 Wochen.
       
       Ein vom Frauenausschuss angefordertes Gutachten über die Folgen der
       Neuregelung für den Arbeitsmarkt und die entstehenden Kosten kommt zu recht
       unklaren Ergebnissen. Der CDU-Abgeordnete Thomas Mann wirft der Studie
       zudem handwerkliche Fehler vor. So seien Alternativmodelle wie das deutsche
       Elterngeld überhaupt nicht berücksichtigt worden.
       
       20 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniela Weingärtner
       
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