# taz.de -- Streit der Woche: „Sextäter kalkulieren nicht“
       
       > Verhindert der Medienpranger sexuellen Missbrauch? Die Produzentin von
       > „Tatort Internet“ erhofft sich von ihrer Sendung Aufklärungseffekte. Ein
       > Psychiater und ein LKA-Chef widersprechen.
       
 (IMG) Bild: Mit diesen Plakaten will die Bundesregierung gegen Missbrauch vorgehen
       
       Kurz nachdem die Sendung „Tatort Internet“ zum zweiten Mal auf RTL2 lief,
       verschwand einer der dort bloßgestellten „Cyber-Groomer“ spurlos. Er
       tauchte erst am Donnerstag wieder auf. Der Mann hatte sich im Internet mit
       einem 13-jährigen Mädchen zum Sex verabredet, das sich als Lockvogel
       herausstellte. Den Geschehnissen folgte eine heftige Diskussion: Dürfen im
       Dienste des Opferschutzes potenzielle Täter bloßgestellt werden?
       
       Dass nun vor allem über Täterrechte diskutiert wird, verwundert die
       Produzentin von „Tatort Internet“, Danuta Harrich-Zandberg: „Wir verstehen
       in keinster Weise die aktuelle Diskussion um die Täter“, schreibt
       Harrich-Zandberg im „Streit der Woche“ der sonntaz. Ziel der Sendung sei es
       über Gefahren im Netz aufzuklären. Und das sei – zum Wohle potenzieller
       Opfer – auch gelungen. Schließlich sei das „Cyber-Grooming“ derzeit eines
       der medial präsentesten Themen.
       
       Unterstützer findet das Konzept „Tatort Internet“ aber auch außerhalb des
       direkten Umfeldes von RTL2. Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen
       Polizeigewerkschaft sagt: „TV-Formate können flankierend wirken im Sinne
       der Prävention“. Wendt geht aber noch weiter. Um einen wirkungsvollen
       Schutz herzustellen, müsse „der rechtliche Rahmen der Polizei erweitert
       werden“, etwa über die Vorratsdatenspeicherung.
       
       So wichtig Opferschutz ist, für einige der Diskutanten überschreitet eine
       öffentliche Bloßstellung von potenziellen Tätern vor allem rechtsstaatliche
       Grenzen.
       
       Daniel Flachshaar, Mitglied des Bundesvorstandes der Piratenpartei, betont,
       wie wichtig es sei, über den Schutz vor Sexualstraftätern im Internet
       aufzuklären. Gerade die Aufklärung gerate bei Sendungen wie „Tatort
       Internet“ aber in den Hintergrund. Aus kommerziellen Gründen benutzten die
       Medien ihre Macht um als „Ermittler, Ankläger, Richter und Vollstrecker
       aufzutreten“. Er betrachte derartige Formate als „Verstoß gegen die
       Grundsätze des Rechtsstaates“, sagt Flachshaar.
       
       Legende: blau: Kindesmissbrauch (23%) | rot: Sonstiger sex. Missbrauch (8
       %) | gelb: Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung (27%) | grün: Ausnutzung
       von sex. Neigung (27%) | grau: Exhibitionistische Handlungen (15%) ||
       Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 || Alle Daten gibt es [1][hier
       zum Download]. 
       
       Ähnliche Bedenken hegt auch Wolfgang Hertinger, der Direktor des
       Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz. Wo der Schutz potenzieller Opfer
       verabsolutiert werde, sei die Wahrung der Menschenwürde und die
       Unschuldsvermutung in Frage gestellt, sagt er. Auch „potenziell gefährliche
       Personen haben Anspruch auf Wahrung ihrer Menschenwürde“, mahnt Hertinger
       mit Blick auf die häufig geforderte Veröffentlichung von Adressdaten
       freigelassener Sexualstraftäter.
       
       Einen anderen Aspekt beleuchtet der Kinderpsychiater Jörg Fegert. Dass ein
       Medienpranger Straftaten verhindern könnte, bezweifelt er grundsätzlich:
       „Sexualstraftäter sitzen nicht wie Wirtschaftskriminelle am Schreibtisch
       und kalkulieren kühl“, betont Fegert. Bei Sextätern stehe die
       „Triebdynamik“ im Vordergrund. Und gegen diese helfe auch keine Angst vor
       einem Medienpranger.
       
       Zahl der registrierten Straftaten zwischen 1999 und 2009. || Quelle:
       Polizeiliche Kriminalstatistik 2009 || Alle Daten gibt es [2][hier zum
       Download]. 
       
       Im Streit der Woche äußern sich außerdem die Vizepräsidentin des
       Opferverbands gegen-missbrauch e.V., Isabel Brockhöfer, die
       Kindermodedesignerin Maja Synke Prinzessin von Hohenzollern und der
       taz-Leser Hauke Laging.
       
       23 Oct 2010
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://spreadsheets.google.com/ccc?key=0Al_3wL1TZipFdGRFelpMQmxPZExKQlQzTllhXzlPeEE
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 (DIR) Florian Naumann
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