# taz.de -- WikiLeaks verbreitet 400.000 Geheimakten: Neue Enthüllungen über den Irakkrieg
       
       > WikiLeaks enthüllt 400.000 Militärdokumente über den Irakkrieg. Demnach
       > wurden bis zu 15.000 Iraker mehr getötet als bislang berichtet und vielen
       > Foltervorwürfen nicht nachgegangen.
       
 (IMG) Bild: Neue Aufschlüsse über das Vorgehen der US-Armee: Hier bewachen US-Infantristen einen verhafteten Iraker in Tikrit. (Archivbild von 2003)
       
       WASHINGTON dapd | Trotz der Warnungen des Pentagons hat die umstrittene
       Internetplattform WikiLeaks fast 400.000 angebliche Geheimakten zum
       Irakkrieg veröffentlicht. Die Dokumente, die von den US-Streitkräften und
       dem US-Geheimdienst stammen sollen, belegen laut der britischen
       Antikriegsgruppe Iraq Body Count, dass bis zu 15.000 mehr Iraker dem Krieg
       zum Opfer fielen, als bislang angegeben. Demnach könnte die Zahl der bisher
       im Irakkrieg getöteten Zivilpersonen bei 122.000 liegen.
       
       Die knapp 400.000 Dokumente, die in der Nacht zum Samstag auf der Website
       wikileaks.org veröffentlicht wurden, decken den Zeitraum von Jahresbeginn
       2004 bis zum 1. Januar 2010 ab. Es handelt sich um die bislang größte
       Preisgabe geheimer Information in der Geschichte der USA. Die Dokumente
       wurden größtenteils von jungen Feldoffizieren verfasst. Nähere Angaben zum
       Ursprung der Geheimakten machte WikiLeaks nicht.
       
       Gefechtsberichte in trockener Sprache 
       
       In straffer, trockener Sprache schildern die angeblichen Geheimakten
       tausende Gefechte mit Aufständischen, Bombenanschläge und Fahrzeugpannen.
       Aber das WikiLeaks-Material beschreibt auch Offiziere, die sich in einem
       komplizierten und chaotischen Konflikt wiederfanden und oft nicht mehr tun
       konnten, als Übergriffe ihrer irakischen Verbündeten an ihre Vorgesetzten
       zu melden.
       
       Die Militärdokumente legen nahe, dass die US-Streitkräfte schweren
       Missbrauchsvorwürfen gegen irakische Sicherheitskräfte oftmals nicht
       nachgegangen sind. Es werden zahlreiche Fälle aufgeführt, in denen
       US-Soldaten Hinweise über Misshandlungen, Folterungen und Morde durch
       irakische Sicherheitskräfte dokumentiert, an ihre Vorgesetzten gemeldet und
       den Fall dann geschlossen haben. Unter den nun veröffentlichten Berichten
       finden sich mindestens 300 derartige Vorfälle.
       
       In einem Fall aus dem August 2006 berichtete ein Soldat von einem
       Gefangenen, der behauptete, von irakischen Polizisten in Handschellen an
       die Decke gehängt worden zu sein. Der des Mordes verdächtigte Gefangene
       berichtete demnach, dass die Polizisten ihn mit kochendem Wasser gefoltert
       und mit Stöcken geschlagen hätten. Die amerikanische Einheit, die den Fall
       aufnahm und dokumentierte, benachrichtigte das Büro des irakischen
       Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki und schloss damit den Fall ab.
       
       Festnehmen, "sobald er aus dem Urlaub zurück ist" 
       
       Andere Meldungen sind nur eine Zeile lang. "Das Individuum berichtete, sie
       sei geschlagen und vergewaltigt worden, weil sie sich geweigert habe mit
       der IP (irakischen Polizei) zu kooperieren", heißt es in einer Mitteilung
       aus der Stadt Tikrit aus dem Jahr 2007. Ein Verbindungsteam der
       US-Streitkräfte machte im November 2007 in Mosul Fotos von einem mit
       Schrammen und blauen Flecken übersäten Mann.
       
       Er sei festgenommen worden, nachdem er eine Bombe auf dem Dach seines
       Lastwagens gefunden habe, berichtete er. Auf die Verletzungen des Manns
       angesprochen, sagte der zuständige irakische Offizier laut der Dokumente,
       ein ihm untergeordneter Soldat sei für die Misshandlung verantwortlich und
       er werde ihn "unmittelbar nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub" festnehmen.
       Damit war auch dieser Fall geschlossen.
       
       Ein Sprecher des Pentagons sagte, die US-Soldaten seien verpflichtet, jeden
       Missbrauchsfall, den sie mitbekommen, an ihre Vorgesetzten zu melden. Die
       Politik der Streitkräfte sei es, diese Informationen der irakischen
       Regierung "auf angemessener Ebene" mitzuteilen. Andere Dokumente
       beschreiben aber auch die Versuche der US-Soldaten, Misshandlungen zu
       verhindern.
       
       Pentagon verurteilte Veröffentlichung der Geheimakten 
       
       Das Pentagon verurteilte unterdessen die Veröffentlichung der
       Militärdokumente im Internet. Sie könne die Sicherheit der USA gefährden
       und vor allem den US-Streitkräften im Irak schaden, sagte Pentagon-Sprecher
       Geoff Morrell. In den veröffentlichten Geheimakten würden auch 300 Iraker
       genannt, die nun "besonders anfällig für Vergeltungsangriffe" seien.
       
       WikiLeaks hatte bereits im Juli Aufsehen erregt, als die Organisation fast
       77.000 Geheimakten über den Krieg in Afghanistan ins Netz stellte.
       
       23 Oct 2010
       
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