# taz.de -- Sicherheitskonferenz der Grünen: Nato muss zivile Aufgaben übernehmen
       
       > Ist die Nato ein Relikt aus dem Kalten Krieg oder ein Instrument des
       > Friedens? Eine Konferenz sollte die Frage klären und zeigte, dass eine
       > Einigung weiter schwer ist.
       
 (IMG) Bild: Umstrittener Gast: Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen.
       
       Im November 2010 findet in Lissabon eine Konferenz statt, auf der ein neues
       strategisches Konzept für die Nato beschlossen wird. Das Dokument ist so
       geheim, dass nicht einmal die Sicherheitsexperten in den Parlamenten der
       Nato-Länder es kennen.
       
       Das focht die Bundestagsfraktion der Bündnisgrünen nicht an, am vergangenen
       Freitag dem Thema "Wohin mit der Nato" eine Fachkonferenz zu widmen. Die
       erwies sich als durchaus spannend. Sie stellte die Frage, ob die Nato ein
       Relikt des Kalten Krieges oder ob sie als Friedensinstrument zu
       qualifizieren sei.
       
       Letzterer Auffassung war der prominenteste Teilnehmer der Tagung, der
       Generalsekretär der Nato, Anders Fogh Rasmussen. Für ihn ist das Bündnis
       der effektivste Peacekeeper. Dies zeige sich besonders in Afghanistan, wo
       dank der Nato al-Qaida über keine Zuflucht mehr verfüge und die Taliban
       zunehmend unter Druck gerieten. Rasmussen betonte, dass auch im neuen
       Strategiepapier die Rolle der UNO als primäre Friedensagentur
       festgeschrieben sei.
       
       Er sprach sich für eine intensivere Zusammenarbeit der militärischen und
       zivilen Kräfte bei Militäraktionen aus. Die Nato müsse auch über
       nichtmilitärische Kapazitäten verfügen, um die Lücke zu schließen, die sich
       auftue, bis zivile Kräfte eingreifen könnten. Es müsse der Nato auch
       möglich sein, zur strategischen Absicherung Außenpolitik zu betreiben. Dies
       sei in Afghanistan der Fall, wo zur Stabilisierung Pakistans Verhandlungen
       mit Indien und China vonnöten seien.
       
       Der Aufgabenbereich der Nato sei nicht von vornherein eindeutig
       eingrenzbar. Dies schließe auch ein mögliches Engagement bei einem Angriff
       auf Kommunikationsnetze nicht aus. Russland schließlich müsse vor allem in
       ein Raketenabwehrsystem mit einbezogen werden.
       
       Rasmussens Ausführungen stießen auf scharfe Kritik der meisten anwesenden
       Politiker und Wissenschaftler. Für die Bündnisgrünen entwickelte Frithjof
       Schmidt die Vorstellung, die Nato auf ihr ursprüngliches Kerngeschäft
       (Nordatlantik) zurückzuführen, sie in ein kollektives Sicherheitssystem
       umzuwandeln. Hierfür sei der Beitritt Russlands zur Nato unerlässlich.
       Rasmussens Einwand, die russische Führung habe kein Interesse an einem
       Nato-Beitritt, war für Schmidt kein grundsätzliches Hindernis.
       
       Wie Schmidt sprachen sich die meisten Redner für eine scharfe Trennung
       zwischen zivilen und militärischen Kompetenzen aus und forderten, das
       Primat der UNO bei Konfliktlösungen in der Praxis umzusetzen. General Egon
       Ramms, bis September 2010 Chef des Allied Joint Force Command der Nato,
       legte dar, dass der Anteil des Militärs für einen Erfolg der
       Afghanistan-Operation nicht mehr als 20 Prozent betrage.
       
       Zur Frage der Abrüstung gab Rasmussen nur eine vage Absichtserklärung ab.
       Über den Abzug der noch in Europa stationierten taktischen Atomwaffen gab
       er keine Auskunft. Auch vermied er es zuzusichern, dass im neuen
       Strategiekonzept der Verzicht der Nato auf einen atomaren Erstschlag
       ausgesprochen werde.
       
       In der Diskussion zeigte sich eine Tendenz, für eine europäische
       Streitmacht im Rahmen der Nato einzutreten, um die hegemoniale Rolle der
       USA einzugrenzen. Das wäre auch billiger, wie General Ramms vorrechnete:
       Die Gesamtzahl der Truppen in Europa könne in diesem Fall um 50 Prozent auf
       eine Million gekürzt werden.
       
       Für eine ersatzlose Auflösung der Nato sprach sich auf der Tagung niemand
       aus. Zu sehr fürchtete man die Renationalisierung der Streitkräfte und den
       Bruch der transatlantischen Bindungen. So blieb die Meinung eines
       anwesenden Aktivisten, die Laufzeitverlängerung der Nato berge ähnliche
       Risiken wie die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, vereinzelt.
       
       24 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Semler
       
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