# taz.de -- Kommentar Wikileaks-Veröffentlichungen: Nur die unteren Chargen bestraft
       
       > Die Reaktionen auf die Wikileaks-Veröffentlichungen zeigen, dass auch
       > Präsident Obama nicht bereit ist zu einem völkerrechtlichen Neubeginn
       > nach acht dunklen Bush-Jahren.
       
       Mit Empörung und der Behauptung einer Gefährdung ihrer "Sicherheitskräfte"
       sowie mit dem Vorwurf einer "Medienkampagne" versuchen die Regierungen in
       Washington und Bagdad bislang abzulenken von den brisanten Inhalten der von
       Wikileaks veröffentlichten Geheimdokumente zum Irakkrieg.
       
       Die Frage politischer und strafrechtlicher Konsequenzen bleibt auch in der
       bisherigen Medienberichterstattung völlig unterbelichtet. Die Dokumente
       belegen zahlreiche Kriegsverbrechen und andere schwere Verstöße der USA
       gegen die - von Washington ratifizierten - Genfer Konventionen. Nach dem
       Völkerrecht tragen die USA auch die Verantwortung für die während ihrer
       Besatzung von Irakern verübten Gräuel.
       
       In weniger als fünf Prozent all dieser Verbrechen hat die Justiz der USA
       überhaupt Ermittlungen aufgenommen. Lediglich eine Handvoll unterer Chargen
       wurde verurteilt zu meist geringen Gefängnisstrafen. Die militärischen
       Befehlsgeber und politischen Verantwortlichen für die Verbrechen bis hin zu
       Präsident Bush und seinem Vize Cheney blieben unbehelligt.
       
       Ein derart eklatantes Versagen der nationalen Justiz hat im Fall anderer
       Staaten - zum Beispiel Sudan - zur Einschaltung des Internationalen
       Strafgerichtshofs (ISTGH) geführt, dem die USA nicht beigetreten sind. Die
       Reaktionen aus der US-Regierung auf die Wikileaks-Veröffentlichungen
       zeigen, dass auch Präsident Obama leider nicht bereit oder nicht in der
       Lage ist zu dem einst von ihm angekündigten völker-und menschenrechtlichen
       Neubeginn nach den acht dunklen Jahren der Ära Bush.
       
       Damit werden die seit 1945 international vereinbarten Völker- und
       Menschenrechtsnormen weiter ausgehöhlt und die nach Ende des Kalten Krieges
       erzielten politischen und institutionellen Fortschritte beim
       internationalen Strafrecht zunehmend infrage gestellt.
       
       Das Verhalten der Führungsmacht der westlichen Demokratien nutzt
       Diktaturen, die sich weit schwererer Verbrechen schuldig gemacht haben als
       die USA in Irak. So wird etwa die Legitimität des internationalen
       Haftbefehls gegen den sudanesischen Diktator Bashir und die
       völkerrechtliche Verpflichtung, ihn an den ISTGH auszuliefern, immer mehr
       in Zweifel gezogen.
       
       Und das nicht nur von Regimen, die wegen ihrer Verbrechen selbst ein
       Verfahren des ISTGH befürchten müssen, sondern sogar von unabhängigen
       Menschenrechtsaktivisten.
       
       24 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Zumach
       
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