# taz.de -- "Tatort" mit Maria Furtwängler: Kinder, Kinder!
       
       > Im niedersächsischen "Tatort" kommt eine Ärztin ums Leben. Härter trifft
       > Ermittlerin Charlotte Lindholm jedoch der Verlust ihres Mitbewohners
       > (Sonntag 20.15 Uhr, ARD).
       
 (IMG) Bild: Gestresst: Charlotte Lindholm mit Kind.
       
       Die große Tochter hat der Mutter für die Arbeit ein Soja-Dessert
       zubereitet, die kleine muss später am Nachmittag noch zum Frühgeigen nach
       der Suzuki-Methode chauffiert werden und der Ehemann schaut über Mittag mal
       kurz für ein paar Bussis im Büro vorbei.
       
       Die widerlich perfekt anmutende Familienorganisation der Kollegin Anja
       Dambeck (Christina Große), mit der Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler)
       in dieser Folge zusammenarbeitet, setzt der Kommissarin arg zu. Gerade
       wurde sie nämlich von ihrem Mitbewohner Martin verlassen, jetzt muss sie
       sich alleine um ihren vierjährigen Sohn kümmern, der von ihr
       peinlicherweise ohne Brotdose vor dem Kindergarten abgeworfen wird.
       
       Dass Schauspieler Ingo Naujoks als ewiger Kumpel der familiär etwas
       nachlässigen Charlotte jetzt aus dem Niedersachsen-"Tatort" ausgestiegen
       ist, kann man ihm wirklich nicht verdenken. Seine in Interviews geäußerte
       Einschätzung, dass die Rolle keine Entwicklungsmöglichkeiten bereithielte,
       ist korrekt. Das Kind der guten Freundin betreute er über die letzten
       Folgen wie sein eigenes – nie aber hat man arbeiten, lieben oder Spaß haben
       sehen. Und irgendwann setzt so eine ereignislose Quasi-Endlos-Elternzeit
       eben auch dem größten Softie zu.
       
       Ingo "Martin" Naujoks Abgang beim niedersächsischen "Tatort" führt nun in
       "Der letzte Patient" (Buch: Astrid Paprotta) in einen Fall um eine etwas
       andere Familie: das Ehepaar Vollmer, das scheinbar jedes ihrer Pflegekinder
       liebevoller betreut als Charlotte das ihre. Darunter ist auch der etwas
       zurückgebliebene Tim (Joel Basman), der offensichtlich der letzte Patient
       bei jener Ärztin war, die in ihrer Praxis ermordet wurde.
       
       Doch je länger Kommissarin Lindholm nachforscht, desto mehr beschleicht sie
       der Verdacht, dass dieser letzte Zeuge Opfer eines systematischen
       Missbrauchs ist. Das Thema ist groß, Regisseur Friedemann Fromm ("Die
       Wölfe") versucht sich ihm über die Peripherie zu nähern. Das könnte die
       Sinne schärfen für dieses schwierige Sujet, das zurzeit durch die
       Pädo-Hetzjagd, die RTL 2 mit seinem "Tatort: Internet" veranstaltet, an der
       Boulevardfront verhackstückt wird.
       
       Tut es aber leider nicht. Zur sehr verzetteln sich die Macher bei dieser
       Episode in tragikomischer Familienreflexion,
       Pädophilenselbstverleugnungsstudie und Einsamkeitsdrama. Immer wieder wird
       dabei die Handlung zurückgeführt auf das Videotagebuch, in dem die
       Ermordete mit bitterem Blick in die Kamera Auskunft über ihr verhunztes
       Beziehungsleben gegeben hat.
       
       Und so leidet auch der Krimi als Ganzes unter dem, was die selbstgefilmten
       Stimmungsbefunde der traurigen Ärztin prägt: Er hat keinen Fokus.
       
       31 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Buss
       
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