# taz.de -- Vor den US-Kongresswahlen: Obamas löchrige Unterstützung
       
       > Am 2. November wird in den USA der Kongress gewählt. Alle reden über die
       > konservativen Gegner von Obama. Aber wer sind seine Freunde?
       
 (IMG) Bild: Punk sei Dank: Unterstützer Obamas auf einer Veranstaltung in Los Angeles.
       
       Die Angst hat einen Namen: "enthusiasm gap" heißt das Phänomen, das die
       US-Demokraten bei den bevorstehenden Wahlen vom kommenden Dienstag am
       meisten fürchten.
       
       Auf Deutsch: Während in den letzten Monaten die rechte Tea-Party-Bewegung
       mit großer Energie von sich reden gemacht hat, ist vom "Hope and
       change"-Enthusiasmus des Obama-Wahlkampfs 2008 nichts übrig geblieben. Der
       Präsident selbst versucht bei Wahlkampfveranstaltungen, den alten Zauber
       wiederherzustellen - es gelingt ihm nicht. Bis zu 15 Prozent derjenigen,
       die 2006 für eine demokratische Mehrheit im Kongress sorgten und vor zwei
       Jahren überzeugt für Obama stimmten, könnten diesmal einfach zu Hause
       bleiben, prophezeien Umfragen.
       
       Im Erdgeschoss der Demokratischen Parteizentrale in Washington haben sich
       wenige Tage vor der Wahl rund 70 Menschen versammelt, die dagegen etwas tun
       wollen. Den ganzen Tag lang werden sie telefonieren, werden registrierte
       DemokratenwählerInnen anrufen. Nicht in Washington - hier gibt es ja keine
       Kongresswahlen, denn Washington, D. C., der District of Columbia, ist im
       Kongress nicht vertreten. Die Freiwilligen, die hier zusammengekommen sind,
       werden in vier Bundesstaaten anrufen, zum Beispiel in Illinois.
       
       Sie werden die Listen eingetragener Demokratenwähler durchtelefonieren und
       sie ermuntern, für den Kandidaten Dan Seals im 10. Wahlbezirk zu stimmen.
       Den kennen sie zwar nicht, aber er liegt in den Umfragen nahezu gleichauf
       mit seinem republikanischen Konkurrenten. Das genügt, um einen Sinn darin
       zu sehen, die demokratischen WählerInnen per Telefon daran zu erinnern,
       dass sie bitte auch wirklich zur Wahl gehen, oder noch besser, ihre Stimme
       schon vor dem Wahltag abgeben.
       
       "Die Republikaner," erklärt Einpeitscher David Litt den Freiwilligen in der
       Parteizentrale, "die Republikaner hoffen auf uns. Wir sind ihre größte
       Stärke, wenn wir nichts tun." Litt, der vor zwei Jahren seinen Abschluss in
       Geschichte in Yale gemacht hat und zu Studienzeiten Stand-up-Comedian war,
       stieß 2008 zur Obama-Kampagne. Er sei damals wütend gewesen, weil die
       Gesundheitsreform in den Untiefen parteipolitischer Konflikte zu versinken
       drohte. Dass sie schließlich doch noch verabschiedet wurde, hielt ihn bei
       der Stange.
       
       Enttäuscht von den ersten zwei Jahren der Obama-Regierung ist auch Sahana
       Kumar. Aber nur ein bisschen: Die 19-Jährige, die an der
       George-Washington-Universität Ökonomie studiert, hilft dennoch mit, die
       Telefonaktion zu organisieren. Sie hätte es gern gesehen, dass "Dont ask,
       dont tell", das Gesetz, das offen schwul oder lesbisch lebenden Menschen
       den Zutritt zur Armee verweigert, bereits abgeschafft wäre. Aber immerhin:
       Die Gesundheitsreform ist durch, auch wenn sie nicht so geworden ist, wie
       Sahana sich das gewünscht hätte. "Es ist nicht alles perfekt, aber die
       Richtung stimmt", sagt Sahana. Mit einer Republikanischen Kongressmehrheit
       hingegen geht alles nur rückwärts. Deshalb will sie etwas tun.
       
       So wie die zurückhaltenden Demokraten die stärkste Hoffnung der
       Republikaner sind, bilden die Republikaner das stärkste Argument der
       Demokraten. Nichts motiviert mehr als die Angst vor einer republikanischen
       Mehrheit, die - getrieben von einer an Einfluss gewinnenden Tea Party - das
       Land wieder nach rechts rückt.
       
       Allerdings befürchten die Demokraten nicht zu Unrecht, dass diese Angst
       allein nicht ausreichen wird. Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit machen
       ungeduldig, und an Obamas Veränderungsversprechen von 2008 glauben viele
       auch dann nicht mehr, wenn der Präsident weitere zwei Jahre mit eigener
       Mehrheit regieren könnte. Dabei werfen ihm die einen zu viel Pragmatismus
       und zu wenig Prinzipientreue vor, die anderen eine falsche
       Prioritätensetzung. Vor allem aber ist der Glaube an die
       Veränderungsfähigkeit der Politik verloren gegangen.
       
       Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Egal wer die Mehrheit hat, er wird im
       Senat keine grundlegenden Veränderungen durchsetzen können. Und dass das
       Repräsentantenhaus verloren ist, scheint schon ausgemacht. Denn die
       Republikaner müssen dort nur 39 Sitze hinzugewinnen, um die Mehrheit zu
       übernehmen. Derzeit halten die Umfragen 35 Zugewinne für sicher, noch
       einmal so viele Wahlkämpfe gelten als offen.
       
       Es braucht nicht viel, um die Chancen der Demokraten als düster anzusehen.
       Auch wenn in der Parteizentrale Optimismus verbreitet und die Parole
       beklatscht wird, man werde allen Umfrage-Instituten am Wahltag eine große
       Überraschung bereiten: So richtig glauben mag das niemand.
       
       Obamas Pragmatismus 
       
       Unter den Wahlkämpfern gilt es als schwierig, jene jungen Leute, die 2008
       zum ersten Mal zur Wahl gegangen sind, erneut zu einer Stimmabgabe zu
       bewegen. Zwar hat Obamas Lager versucht, mit der Gründung von "Organizing
       for America" all jene bei der Stange zu halten, die sich vor zwei Jahren in
       die E-Mail-Verteiler eingetragen hatten. Doch deren politischer
       Enthusiasmus stand im Widerspruch zu dem Versuch Obamas, mit Pragmatismus
       im Senat auch gegen die republikanische Sperrminorität zu regieren.
       
       Im Jahr 2008 war Politik hip - zwei Jahre später ist sie Alltag in einem
       Kongress, dessen Bilanz in den Augen von 73 Prozent der US-Amerikaner
       negativ gesehen wird. Selbst für viele jener, die erneut demokratisch
       wählen wollen, ist Obama vom großen Veränderer zum kleineren Übel
       geschrumpft.
       
       Am meisten verlieren werden allerdings jene konservativen Demokraten, die
       2008 Mandate in traditionell republikanischem Territorium erringen konnten.
       Als "blue dogs" stimmten sie oft gegen Obama, und heute machen sie damit
       Wahlkampf. Verlieren werden sie trotzdem. Laut Umfragen gehören ihre Plätze
       nun wieder den Republikanern. Damit rücken im neuen Kongress die
       Republikaner weiter nach rechts und die Demokraten weiter nach links - eine
       bessere Zusammenarbeit als im alten ist fast unvorstellbar. Wer sollte da
       enthusiastisch sein?
       
       29 Oct 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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