# taz.de -- Youtube in der Türkei: Keine Späße mit des Türken Vater
       
       > In der Türkei war die Seite Youtube gesperrt, dann nicht mehr und sollte
       > dann wieder gesperrt werden. Absurdes Theater und Zensur existieren
       > miteinander.
       
 (IMG) Bild: Wie ein Fähnchen im Wind ändert sich die Haltung der Türkei in Sachen Youtube.
       
       Wenn man das Stichwort "Zensur von Internetinhalten" hört, denkt man an die
       fehlende Meinungsfreiheit in Diktaturen wie dem Iran oder Nordkorea. Aber
       auch in einem demokratischen Land werden Online-Inhalte kontrolliert oder
       gesperrt, nämlich in der Türkei. Das mag auf den ersten Blick als Zeichen
       des Totalitarismus erscheinen, hat jedoch oft auch einen deutlichen Hang
       ins Absurde .
       
       Da ist beispielsweise der aktuelle Youtube-Fall: Die türkische
       Telekommunikationsbehörde hat am Mittwoch mit einer erneuten Sperre des
       Zugang zur Internetplattform Youtube gedroht. Und das nachdem am Samstag
       erst eine zweieinhalbjährige Sperre der Seite aufgehoben wurde. Dann fiel
       den Behörden jedoch ein neuer Film unangnehm auf.
       
       Auf [1][dem Video] sehr schlechter Qualität ist der verheiratete Politiker
       Deniz Baykal mit einer verheirateten Parteikollegin zu sehen. Gemeinsam
       suchen sie in einem Zimmer ihre Kleidungsstücke und ziehen sich an. Der
       Politiker war nach der Veröffentlichung des Videos im Mai zurückgetreten.
       Baykal erklärte damals, er sei Opfer eines von der Regierung angezettelten
       Komplotts. Der 71-Jährige ist einer der schärfsten Kritiker von
       Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan.
       
       Nichts gegen die Nation 
       
       Von türkischen Websites war das Baykal-Video schon bald nach dem Skandal
       verschwunden. Wegen der Beendigung des Youtube-Verbots am vergangenen
       Wochenende war es nun wieder für türkische Computernutzer zugänglich.
       Deshalb wandten sich Baykals Anwälte an ein Gericht in Ankara, das prompt
       die erneute Sperrung von Youtube anordnete. Die wiederum konnte am
       Donnerstag dann doch noch abgewendet werden.
       
       In der Türkei gibt es beides: Das absurde Theater des aktuellen Falls und
       ernsthafte Versuche der Zensur. Das Parlament beschloss im November 2007
       ein neues Gesetz, laut dem die Gerichte des Landes jede beliebige Webseite
       innerhalb von 24 Stunden blockieren könnten, wenn diese einer der folgenden
       Sünden begeht: zum Suizid aufrufen, Drogenkonsum verherrlichen,
       Kinderpornografie verbreiten, die türkische Nation und Staatsgründer
       Mustafa Kemal Atatürk beleidigen.
       
       Mit Atatürk begann auch der Ärger für Youtube. Obwohl der "Vater der
       Republik" bereits 1938 verstorben ist, hält das Andenken an ihn die Türkei
       noch fest im Griff. Als in Youtube-Filmen eine Atatürk-Montage mit rosa
       Perücke und Schminke zu sehen war, sperrten die Behörden das Portal im Mai
       2008 - bis zum Samstag: Die beanstandeten Videos seien entfernt worden,
       lautet der offizielle Grund für die Entsperrung.
       
       Neben dem Hin- und Her des Youtube-Falles macht auch der Umgang mit der
       Sperre den Vorgang zu einem Stück Absurdität. Zum einem, weil sich durch
       Zusatzsoftware und zwischengeschaltete Tunnelwebseiten die Sperre leicht
       knacken lässt. Und als 2008 Journalisten den türkischen Ministerpräsident
       Erdogan auf das Thema ansprachen, antwortete dieser: "Ben youtube' a
       giriyorum, siz de girin - übersetzt: "Ich benutze Youtube, macht ihr es
       doch auch".
       
       Der Türkei nicht würdig 
       
       Präsident Abdullah Gül kritiserte am Mittwoch das Hin-und-Her um das
       Portal, ein Verbot sei der Türkei nicht würdig. Ein Unding sei vor allem
       die Tatsache, dass es in der Macht eines jeden lokalen Gerichtes liegt,
       Webseiten über Nacht sperren zu lassen.
       
       Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" setzte das Land nach der
       Youtube-Sperre auf dem Index der "Internetfeindstaaten" in eine Reihe mit
       Eritrea und Weißrussland - seit Samstag ist das wieder anders. Auch Burma
       und Pakistan blockten zeitweise Youtube. Das ist keine Empfehlung für den
       EU-Beitrittskandidaten Türkei. Das wissen natürlich auch die dortigen
       Politiker.
       
       4 Nov 2010
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.kerkukfeneri.com/iste-deniz-baykal-ve-nesrin-baytok-ile-ilgili-video-kaydi/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) C. Akyol
 (DIR) M. Hamsici
       
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