# taz.de -- Überwachung: Big Brother am Werkstor
       
       > Beim Baggerhersteller Atlas in Oldenburg überwacht das Unternehmen den
       > IG-Metall-Streik mit Videoaugen. Gewerkschaft beantragt einstweilige
       > Verfügung dagegen
       
 (IMG) Bild: Werden beim Streiken gefilmt: Mitarbeiter von Atlas.
       
       Der Tarifkonflikt beim niedersächsischen Bagger- und Kranhersteller Atlas
       Maschinen GmbH spitzt sich zu: Die IG Metall Küste hat den Streik vom Werk
       Ganderkesee bei Oldenburg, wo seit 21. Oktober die Arbeit ruht, auf die
       Betriebsstätte Delmenhorst ausgedehnt. Gleichzeitig versucht die
       IG-Metall-Bezirksleitung am heutigen Freitag, beim Arbeitsgericht Oldenburg
       über die Rechtsanwältin Mechthild Garweg eine einstweilige Verfügung gegen
       das Unternehmen zu erwirken. Atlas hatte mit einer eigens in Ganderkesee
       aufgestellten Videokamera das Streikgeschehen an den Werkstoren gefilmt und
       war auch anderweitig gegen Streikende und Betriebsräte vorgegangen. Unter
       anderem waren Hausverbote erteilt worden.
       
       "Das ist ein Eingriff in das Streikrecht", sagt der Bremer Arbeitsrechts-
       und Datenschutzexperte Wolfgang Däubler. "Das Filmen ist eine
       Einschüchterung", so der Jura-Professor der Universität Bremen. Er verweist
       auf eine "Parallel-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichtes. In dem
       legendären "Brokdorf-Beschluss" von 1985 hatten die Verfassungshüter das
       systematische Filmen einer Demonstration durch die Polizei als Eingriff ins
       Demonstrationsrecht bezeichnet.
       
       Zwar gebe es zur Videoüberwachung vor Betrieben keine höchstrichterliche
       Entscheidung, sagt Däubler. In der rechtswissenschaftlichen Literatur werde
       die Videoüberwachung aber selbst von "konservativen Kommentatoren" als
       rechtswidrig bezeichnet. Außerdem verletze das Filmen das Recht am eigenen
       Bild, sagt Däubler.
       
       Die IG-Metall-Anwältin Garweg ist daher zuversichtlich, die einstweilige
       Verfügung durchzusetzen. "Wir sehen hier einen eklatanten Verstoß gegen den
       Datenschutz und einen unzulässigen Eingriff in das vom Grundgesetz
       garantierte Streikrecht", sagt IG-Metall-Sprecher Heiko Messerschmidt. Eine
       Videoüberwachung durch den Arbeitgeber sei "rechtswidrig". Der
       niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte ist ebenfalls eingeschaltet.
       "Wir prüfen den Fall und sehen den Vorgang sehr kritisch", sagt eine
       Sprecherin zur taz.
       
       Die IG Metall fordert für die 650 Beschäftigten in den drei Atlas-Werken
       Ganderkesee, Delmenhorst und Vechta einen Haustarifvertrag. Der neue
       Inhaber Fil Filipov, der gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen
       war, versucht seit Februar durch neue Arbeitsverträge, die sozialen
       Standards zu senken. Anstelle der 35-Stunden-Woche möchte er 40
       Wochenstunden ohne Lohnausgleich durchsetzen. "Bis heute hat es kein
       substanzielles Angebot gegeben, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten
       insgesamt abzusichern", sagt der Geschäftsführer der IG Metall Oldenburg,
       Hartmut Tammen-Henke. "Die Versuche des Arbeitgebers, durch individuelle
       Zusicherungen der Besitzstände einen Keil in die Belegschaft zu treiben,
       haben sich als haltlos erwiesen", sagt Tammen-Henke.
       
       Filipov hatte am Wochenende in einem Schreiben an die Mitarbeiter
       angekündigt, die bestehenden arbeitsrechtlichen Bedingungen für die Zukunft
       zu garantieren. Eine individuelle Zusicherung, betont Tammen-Henke "ersetzt
       in keinem Fall den Schutz eines Tarifvertrages".
       
       4 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai von Appen
       
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