# taz.de -- Umweltschutz in Argentinien: Gletscher per Gesetz
       
       > Die Regierung Argentiniens versucht mit einem Gesetz die Umwelt des
       > Landes zu schützen. Doch ein Erfolg ist nicht in Sicht - dafür viel
       > rechtliches Hickhack.
       
 (IMG) Bild: Kann er durch ein Gesetz gerettet werden? Der Perito Moren-Gletscher in Argentinien.
       
       Argentinien schützt seine Gletscher per Gesetz. Damit sei der
       südamerikanische Staat "das einzige Land, das ein restriktives Gesetz zum
       Schutz der Gletscher hat", resümiert die frühere Abgeordnete und
       Gesetzesinitiatorin Marta Maffei. Bereits Ende September hatte der Senat
       mit 35 gegen 33 Stimmen für das Gesetz gestimt.
       
       Das Abgeordnetenhaus hatte zuvor bereits mit Mehrheit zugestimmt. Da
       Präsidentin Cristina Kirchner angekündigt hatte, kein Veto einzulegen, trat
       das Gesetz am 28. Oktober in Kraft.
       
       Es sieht einen umfangreichen Schutz der Gletscher gegen die Ausbeutung von
       Bodenschätzen unter den Eismassen durch Bergbau- und Ölfirmen vor sowie
       eine Bestandsaufnahme der Anzahl und des Zustandes der als
       Trinkwasserversorger und -speicher angesehenen Gletscher. Die seien "extrem
       bedroht, nicht nur durch die Wirtschaft sondern auch durch die globale
       Erwärmung", sagt Maffei.
       
       Rund 350 Gletscher sollen sich vor allem entlang der Anden von Nord nach
       Süd in die Täler schieben. Die Eismassen stellen rund 75 Prozent der
       Süßwasserreserven des Landes dar. Schon heute ist vielerorts das Wasser aus
       den Quellen durch die beim Tagebau benutzten Chemikalien zum Auswaschen von
       Kupfer, Silber und Gold aus den Gesteinsmassen belastet. Nach dem Gesetz
       sind nun Arbeiten auf den Eismassen der Gletscher verboten, das bedeutet
       praktisch ein Verbot der Suche nach Bodenschätzen wie Gold, Silber oder
       Erdöl unter der Eisdecke.
       
       Von dem Gesetz betroffen ist auch die Pascua-Lama-Mine der kanadischen
       Bergbaufirma Barrick Gold Corporation. Das binationale Projekt liegt in
       einer Höhe von rund 4.000 bis 5.000 Metern auf argentinischen und
       chilenischem Territorium. In der zukünftigen Mine der Superlative werden 17
       Millionen Unzen Gold und mit knapp 700 Millionen Unzen eines der weltweit
       größten Silbervorkommen vermutet. Innerhalb von zehn Jahren sollen daraus
       Einnahmen im Wert von 33 Milliarden Dollar erzielt werden.
       
       Noch im November 2008 hatte Präsidentin Cristina Kirchner mit einem Veto
       das Gesetz gestoppt, das zuvor von beiden Kongresskammern einstimmig
       verabschiedet worden war. Kirchner stellte sich damit auf die Seite der
       Regierungen der Bergbauprovinzen und der Lobby der Minenbetreiber. "Für
       mich war das Projekt mit dem Veto vom Tisch gewischt," so Maffei im
       Rückblick.
       
       Über ihre damalige Fehleinschätzung und die der Präsidentin freut sie sich
       heute: "Das Veto hat die gesellschaftliche Diskussion um den
       Gletscherschutz, die schädlichen Konsequenzen für viele und den Nutzen für
       wenige der Bergbauindustrie erst richtig in Gang gebracht." Da eine
       Zweidrittelmehrheit gegen das Präsidentenveto im Kongress nicht zu bekommen
       war, wurde Anfang 2010 das Gesetz mit nur kleinen Änderungen abermals in
       den Kongress eingebracht.
       
       "Die Präsidentin hatte erwartet, dass diesmal der Senat das Gesetz
       ablehnt", so Maffei über die Ankündigung der Präsidentin, diesmal kein Veto
       einzulegen. Es war ein Kampf gegen die Unwissenheit der Bevölkerung und
       gegen die Desinformationen der ökonomischen Interessen, gegen dessen Erfolg
       auch der Kongress nicht stimmen konnte.
       
       Zwar ist das Gesetz jetzt in Kraft, aber es ist noch lange nicht
       gewährleistet, dass es auch umgesetzt, angewandt und eingehalten wird. Der
       Auseinandersetzung verlagert sich in den Gerichtssaal. "Die Strategie der
       Provinzregierungen und der ökonomischen Gruppen ist, Zeit zu gewinnen und
       zu verzögern, wo und wie es nur geht," sagt Maffei.
       
       Laut Verfassung ist es Aufgabe der nationalen Gesetzgebung, die natürlichen
       Ressourcen zu schützen, aber die Provinzgesetze können sie begleiten und
       ergänzen. Das ist der Hebel, mit dem die Provinzen versuchen werden, das
       Gesetz zu knacken, so Maffei. "Die Justiz in den Provinzen ist absolut
       käuflich und immer auf Seiten der Provinzpolitik", fügt sie hinzu.
       
       In der Bergbauprovinz San Juan, in der auch der argentinische Teil der
       Pascua-Lama-Mine liegt, hat ein Richter die entscheidenden
       Gesetzesparagrafen bereits nach wenigen Tagen außer Kraft gesetzt. Nach
       seiner Begründung sind die neuen Regeln verfassungswidrig. "Wir müssen bis
       zum obersten Gerichtshof gehen, und ich schätze, das wird wieder zwei Jahre
       dauern," so Marta Maffei.
       
       9 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Vogt
       
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