# taz.de -- Asylpolitik in Australien: Gericht will mehr Rechte für Flüchtlinge
       
       > Das Oberste Gericht in Australien hat ein entscheidendes Urteil gegen die
       > rigide australische Flüchtlingspolitik gefällt. Die Regierung will den
       > Entscheid anfechten.
       
 (IMG) Bild: Boat people vor der australischen Westküste bei Darwin im Jahr 2009.
       
       CANBERRA taz | In Australien hat am Donnerstag das Oberste Gericht
       entschieden, dass auch Asylsuchende, die unter einem umstrittenen Gesetz
       interniert sind, Zugang zu Gerichten haben müssen. Das Urteil rüttelt am
       Fundament der harten australischen Flüchtlingspolitik.
       
       Zwei Flüchtlinge, die auf einem Boot aus Sri Lanka in australischen
       Gewässern aufgegriffen worden waren, haben das Recht, vor Gericht gegen den
       abschlägigen Asylentscheid der Regierung zu appellieren. So urteilten die
       Richter des Obersten Gerichtes Australiens am Donnerstag einstimmig. Die
       Männer hätten genauso ein Recht auf Zugang zur Justiz wie Flüchtlinge, die
       in einem Flugzeug in Australien landeten. Sie hätten "ein Recht auf
       Fairness, auf ein korrektes Verfahren". Mit diesem Entscheid stellten die
       Richter die Zukunft einer bald zehn Jahre alten Asylpolitik in Frage, die
       als eine der restriktivsten der westlichen Welt gilt.
       
       Wer als Bootsflüchtling in australischen Gewässern landet, es aber es nicht
       auf das Festland schafft, wird auf der abgelegenen australischen
       Weihnachtsinsel interniert und hat keinen Zugang zum australischen
       Justizsystem. Diese Politik war von der früheren konservativen Regierung
       unter Premierminister John Howard eingeführt worden, mit dem Ziel,
       potenzielle Flüchlinge abzuschrecken. Menschenrechtsorganisationen
       protestierten, die Vereinten Nationen kritisierten. Die Maßnahme sei ein
       populistisch motivierter Schritt, der an den Rassismus der Australier
       appelliere, so die Gegner damals.
       
       Für Kritiker hat die Politik ihre Ziele auf jeden Fall verfehlt. "Das
       System war nie eine wirkungsvolle Abschreckung für Flüchtlinge," meint
       David Marr, Autor und Experte für australische Asylpolitik. Trotz einem
       zeitweisen Rückgang der Zahl der Bootsflüchtlinge habe es "niemanden davon
       abgehalten", in australischen Gewässern anzukommen. Denn es handle sich um
       verzweifelte Menschen, die um ihr Leben fürchteten, um Menschen die keine
       andere Wahl hätten. Tatsächlich sind alleine in diesem Jahr über 5000
       Asylsuchende in Booten aufgefangen worden - in erster Linie Fliehende aus
       Irak, Afghanistan und Sri Lanka. Falls sie es über die gefährliche Timorsee
       schaffen - in den letzten Jahren sind hunderte von Flüchtlingen ertrunken -
       werden sie von der australischen Marine aufgegriffen und interniert.
       
       Welche Konsequenzen das Urteil für die Politik der jahrelangen Inhaftierung
       von Flüchtlingen haben wird, ist noch nicht klar. Einige Beobachter meinen,
       die Internierung in Anlagen außerhalb des australischen Festlandes, etwa
       auf der Weihnachtsinsel, sei nun nicht mehr legitim. Die Labor-Regierung
       will den Entscheid prüfen, erklärte Einwanderungsminister Chris Bowen am
       Abend. Laut David Marr kann das Urteil nicht mehr angefochten oder an eine
       nächste Instanz weitergezogen werden. Potenziell könnten nun hunderte von
       abgelehnten und auf die Ausschaffung wartende Asylsuchende den negativen
       Entscheid vom Richter prüfen lassen. Heftige Kritik am Gericht wird von der
       konservativen Opposition erwartet. Oppositionsführer Tony Abbott hatte
       während des jüngsten Wahlkampfes versprochen, im Falle seines Sieges "die
       Boote zu stoppen" und sie wenn nötig wieder zurückzuschicken.
       
       11 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Urs Wälterlin
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Australien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Australische Asylpolitik: Geflüchtete Frau zündet sich selbst an
       
       Das Land schickt Flüchtlinge, die an der Küste stranden, in Haftlager auf
       Nauru und Papua-Neuguinea. Trotz Selbstmordversuchen bleibt die Regierung
       hart.
       
 (DIR) Bayrische Asylpolitik: Schützt Begabung vor Abschiebung?
       
       In Bayern wird Asylpolitik bundesweit am härtesten ausgelegt. Jetzt aber
       will sich die CSU für das Bleiberecht einer 15-Jährigen einsetzen, die
       besonders gut in der Schule ist.
       
 (DIR) G20-Gipfel in Seoul: Jeder gegen jeden
       
       Kurz vor Beginn des Gipfels ist im Streit um Wechselkurse und
       Handelsbilanzen keine Einigung in Sicht. Es streiten: Deutschland und die
       Schwellenländer mit den USA.
       
 (DIR) Parlamentswahl in Birma: Diktatur macht Wahl zur Farce
       
       Bei der ersten Parlamentswahl seit 20 Jahren ließ das Militärregime die
       Stimmzettel lieber von eigenen Mitarbeitern ausfüllen. Kein Wunder:
       Ex-Generäle gewinnen Mandate.