# taz.de -- Raketenangriff in Pakistan: "Aus dem Leben gebombt"
       
       > Die Opposition verlangt Aufklärung über den Tod dreier Islamisten aus
       > Hamburg und Wuppertal. Sie starben Anfang Oktober bei einem mutmaßlichen
       > US-Drohnenangriff.
       
 (IMG) Bild: In Waziristan gefundene Fotos und Pässe.
       
       Bünno haben ihn seine Schulkameraden in Wuppertal genannt. Seine Hobbys:
       Schwimmen und Chillen. Bünyamin E. ging nach der Hauptschule zur
       Abendrealschule, in den Ferien jobbte er auf einem Bauernhof. Als
       bescheiden und schüchtern beschreibt ihn der Hofbetreiber.
       
       Der war es auch, der im Stadtspiegel Velbert eine Traueranzeige schaltete.
       Bünyamin E. sei "aus dem Leben gebombt" worden, heißt es da. "In unserer
       Erinnerung bleibt er ein junger Deutscher, der höflich, fleißig und
       hilfsbereit war." Es hat da aber noch einen anderen Bünno gegeben. Der hieß
       "Imran Almani".
       
       Am 4. Oktober, einen Monat bevor er 21 geworden wäre, starb Bünyamin E. bei
       einem US-Drohnenangriff in der Nähe der pakistanischen Stadt Mir Ali,
       zusammen mit zwei Dschihadisten aus Hamburg: Naamen Meziche, 40, und Shahab
       Dashti, 27.
       
       Offiziell bestätigt ist all das immer noch nicht, aber vor wenigen Tagen
       sind nun Fotos in islamistischen Foren aufgetaucht, auf denen die Leichen
       von "Abu Askar" und "Imran Almani" zu sehen sind. Das sind die Kampfnamen
       von Dashti und E.
       
       Der Tod von Bünyamin E. bringt nun auch die Bundesregierung in Bedrängnis.
       Denn während Dashti iranischer Staatsangehöriger war und Meziche einen
       französischen sowie einen algerischen Pass hatte, war Bünyamin E.
       Deutscher. Einen deutschen Drohnentoten kann man nicht ignorieren.
       
       Die Opposition stellt immer drängendere Fragen. "Inwieweit haben
       US-Behörden die Bundesregierung im Vorfeld über eine mögliche Tötung
       deutscher Staatsbürger informiert?", fragt die Linkspartei. Und die Grünen
       wollen von der Regierung wissen, ob "sie an der Durchführung der Operation
       mitgewirkt" hat. "Wer hat die Entscheidung für den Angriff getroffen?"
       
       Die Bundesregierung hält sich bisher mit Stellungnahmen zurück, verweist
       auf fehlende offizielle Informationen und drängt bei den pakistanischen
       Behörden auf Auskünfte. Aber auch in der Regierung weiß man um die
       Sprengkraft des Vorfalls. "Wenn Menschen - erst recht, wenn es deutsche
       Staatsbürger sind - bei solchen Vorkommnissen ums Leben kommen, dann ist
       das ein sehr ernster Vorgang, den man moralisch, politisch und rechtlich
       bewerten muss", sagte Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt,
       jüngst im Bundestag. Bisher fehlten ihm aber noch belastbare Fakten. "Die
       Sache ist zu brisant, als dass man sich mit Bewertungen aus dem Fenster
       lehnen könnte."
       
       Nun wird die Bundesanwaltschaft tätig. Sie prüft wegen des "in den Medien
       berichteten angeblichen Angriffs am 4. Oktober bei der Stadt Mir Ali" die
       Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, teilte das Auswärtige Amt in einer
       noch unveröffentlichten Antwort an die Linke mit. Es könnte eine ähnliche
       Debatte entbrennen, wie sie nach der Veröffentlichung der
       Afghanistan-Dokumente durch Wikileaks geführt wurde. Aus ihnen ging hervor,
       wie Deutschland an der Erstellung von Fang-und-Abschuss-Listen für Taliban
       und Al-Qaida-Kämpfer beteiligt ist.
       
       Damals wie jetzt geht es im Kern um die Frage: Wie schmutzig macht sich
       Deutschland die Hände im Kampf gegen den Terror?
       
       Dafür, dass die Deutschen in den US-Drohnenkrieg in der pakistanischen
       Bergregion Wasiristan einbezogen sind, gab es bisher keine Hinweise. Doch
       im Fall der Tötung von Meziche, Dashti und E. gibt es zumindest eine
       auffällige zeitliche Koinzidenz. Vom 3. Oktober an besuchten Beamte des
       Auswärtigen Amts, des Verfassungsschutzes und des BND in einem
       US-Militärgefängnis in Afghanistan einen Kampfgefährten von Dashti und
       Meziche: Ahmad S., 36. Seit Juli wird er von den USA in Bagram
       festgehalten. In den Vernehmungen erzählte er von Treffen mit hochrangigen
       Al-Qaida-Kadern und angeblichen Anwerbeversuchen für Anschläge in Europa.
       
       Am 4. Oktober schlugen in der Nähe von Mir Ali die Raketen ein.
       
       Zufall? Gut möglich. Auf die Frage der Linken, ob deutsche Stellen vor dem
       Drohnenangriff Informationen über aus Deutschland stammende Islamisten in
       Wasiristan an die USA weitergegeben hätten, antwortete die Regierung Ende
       der Woche: "Es wurden keine Daten übermittelt, die nach Kenntnis der
       Bundesregierung im Sinne der Fragestellung hätten verwendet werden können."
       
       Solche Aussagen reichen der Opposition nicht, sie wirft der Regierung
       fehlenden Aufklärungswillen vor. "Wir brauchen Wahrheit und Klarheit", sagt
       Hans-Christian Ströbele von den Grünen. "Diese moderne Art der
       Kriegsführung ist illegal und moralisch verwerflich."
       
       Bleibt die Frage, wie Bünno aus Wuppertal zu "Imran Almani" werden konnte.
       Im Vergleich zu Dashti und Meziche war er für die Sicherheitsbehörden vor
       seiner Ausreise ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Dashti und Meziche
       hatten in Hamburg die berüchtigte Al-Kuds-Moschee besucht, in der schon die
       Todespiloten vom 11. September 2001 gebetet hatten. "Dschihad" war Dashtis
       Spitzname dort.
       
       Zeitgleich mit neun anderen Islamisten, darunter der jetzt in Bagram
       festgehaltene S., machten die beiden sich im Frühjahr 2009 in das
       afghanisch-pakistanische Grenzgebiet auf. Am 3. Oktober 2009 tauchte ein
       Video der "Islamischen Bewegung Usbekistan" auf. Dashti posiert darin mit
       einem schwarzen Schwert, auf dem steht: "Gott ist größer."
       
       Wie Bünyamin E. zu dieser Terrortruppe kam, lässt sich bisher nicht
       beantworten. Feststeht, dass er sich im Sommer auf den Weg in das
       pakistanisch-afghanische Grenzgebiet machte. Nahe liegt, dass er seinem
       älteren Bruder Emrah nachfolgte, der kurz zuvor dorthin ausgereist war.
       
       Emrah E. war das Gegenteil von Bünyamin. Er schwänzte die Schule, kiffte,
       soff, prügelte sich, raubte Leute aus und landete im Gefängnis. Zuletzt saß
       er in der JVA Siegburg, 4. Stock, Zelle 347. Er sei "das schwarze Schaf der
       Familie gewesen", schrieb Emrah E. einmal selbst in einem Text für ein
       islamistisches Heft. "Der hatte nichts mehr zu verlieren", heißt es in
       Sicherheitskreisen.
       
       Im Wuppertaler Stadtteil Vohwinkel besuchten beide Brüder vor ihrer
       Ausreise die Schababannur-Moschee. "Jugend des Lichts", heißt das. Dort
       predigt ein Mann, der sich "Abu Jibriel" nennt. Er ist einer der Stars der
       deutschen Salafistenszene, eine reaktionäre Strömung, die
       Verfassungsschützer als möglichen Ausgangspunkt für eine Radikalisierung
       sehen.
       
       Dass zwei mutmaßliche Dschihadisten seinen Predigten lauschten, bringt Abu
       Jibriel nun in Bedrängnis. Er distanziert sich von den Brüdern. "Wir
       wussten nichts von ihren Einstellungen", sagt er. "Wer zur Gewalt aufruft,
       fliegt bei uns achtkant raus."
       
       Doch so einfach ist es nicht. Denn Bünyamin E. war zeitweise im Vorstand
       des Fördervereins der Schababannur-Moschee - ebenso wie sein Vater. In der
       Selbstdarstellung des Vereins ist die Rede von Verantwortung gegenüber
       Jugendlichen, die man "vor Selbstschaden oder dem Abrutschen in die
       Kriminalität bewahren" wolle.
       
       Bünyamin E.s Tod in Wasiristan wird noch Folgen haben. Für die Islamisten
       in Wuppertal - und für die deutsche Diplomatie.
       
       12 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf Schmidt
       
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