# taz.de -- Film über lesbische Kleinfamilie: Hass auf Hanfmilch
       
       > In "The Kids Are All Right" schaut Lisa Cholodenko mit mildem Spott auf
       > eine lesbische Kleinfamilie in Südkalifornien. Nur bei den Sexszenen
       > bleibt sie verklemmt.
       
 (IMG) Bild: Haben ihre Version einer ganz normalen Familie auf die Leinwand gebracht: Die Schauspielerin Annette Bening und Regisseurin Lisa Cholodenko.
       
       Südkalifornien. Ein hübsches Einfamilienhaus, geschmackvoll eingerichtet,
       zwei im Großen und Ganzen wunderbar geratene Kinder, der Sohn 15, die
       Tochter 18. Mutter Nic ist erfolgreiche Ärztin, Mutter Jules studierte
       Architektin, hat aber die letzten Jahre vor allem der Kindererziehung
       gewidmet und ist an einem gewissen Punkt der Unzufriedenheit. Sie fühlt
       sich nicht genügend wertgeschätzt und will sich als Landschaftsgärtnerin
       selbständig machen. Die Beziehung der beiden besteht seit Uni-Zeiten, sie
       sind verheiratet.
       
       Während Sohn Laser lernen muss, dass sein Skateboardbuddy eine Dumpfbacke
       ist, und Joni sich darauf vorbereitet, ans College zu gehen, versuchen die
       Mütter, den Familienalltag und ihre Ehe zu managen. Nic ist ihr Job hin und
       wieder wichtiger als die in der Wanne wartende Partnerin, in
       Erziehungsfragen reibt sich Jules' posthippieske "Wir akzeptieren dich so,
       wie du bist, du weißt, du kannst uns alles sagen"-Manier ab und zu an Nics
       autoritärerem Perfektionismus.
       
       Das Errichten eines Komposthaufens im Garten dagegen ist für die Mütter
       selbstverständlich. Eine ganz normale, grün-liberale US-Bürgerfamilie also.
       Mit der Ausnahme, dass die beiden Ehepartner Frauen sind. Und dass die
       Kinder ergo unter Zuhilfenahme von Spendersamen entstanden sind. Und mit
       diesem Spender treten sie hinter dem Rücken ihrer Mütter prompt nach Jonis
       18. Geburtstag in Kontakt.
       
       Auftritt Paul. Er betreibt ein Biorestaurant, fährt Motorrad, betont seine
       Unabhängigkeit und sein Junggebliebensein. Obwohl er eigentlich ein
       Berufsjugendlicher mit Bindungsproblemen ist, finden Joni und Laser ihn
       cool. Und laden ihn zum Essen ein. Paul engagiert Jules postwendend für die
       Neugestaltung seines Gartens. Sie ist begeistert von seinem Vertrauen in
       ihre Fähigkeiten, er von der Vorstellung, eine Lesbe und die Mutter eines
       "seiner" Kinder zu bezirzen. Was ihm gelingt.
       
       Die beiden beginnen eine Affäre, der Nic bald auf die Schliche kommt. Eine
       handfeste Ehekrise ist da. Während Paul plötzlich hofft, ohne viel dafür
       tun zu müssen, eine Familie frei Haus zu bekommen, beendet Jules das
       Techtelmechtel und bittet Nic um Verzeihung. Am Ende sitzt die wieder
       vereinte Kleinfamilie im Volvo, während Paul auf seinem
       Born-to-be-wild-Motorrad außen vor bleibt.
       
       Nach gut anderthalb Stunden leichtfüßiger Unterhaltung also siegen bei "The
       Kids Are All Right" die Werte Ehe und Familie. Denn auch wenn hier eine
       lesbische Ehe und eine doch noch nicht zu hundert Prozent handelsübliche
       Familienkonstellation gewinnen, ändert das doch erst mal nichts an der
       grundsätzlich konservativen Aussage, dass Ehe und Familie trotz aller
       Schwierigkeiten gut und bewahrenswert sind.
       
       Auf den ersten Blick erstaunlich für einen Spielfilm, der bei der
       diesjährigen Berlinale den schwul-lesbischen Filmpreis Teddy gewonnen hat.
       Aber dass der Film die Freuden und Nöte einer kleinfamiliären Normalität
       mit größter Selbstverständlichkeit an einer lesbischen Ehe durchexerziert,
       dafür gebührt Regisseurin und Drehbuchautorin Lisa Cholodenko eben doch ein
       dickes Lob.
       
       Dass es bei ihr in einem Schlüsselmoment einer Langzeitbeziehung nicht das
       kleinste bisschen anders zugeht wie bei Schmidts von nebenan, dass
       sämtliche Situationen und Dialoge auch dem heteronormativsten Grünen-Wähler
       mit Frau und Kids bekannt vorkommen dürften in ihrer
       Selbstverständlichkeit, ist die überwältigende Behauptung dieser Komödie.
       Hier wird nicht mit der Zurschaustellung von Exotischem hausieren gegangen,
       sondern vielmehr ein bestimmtes Milieu untersucht - und liebevoll
       vorgeführt.
       
       Lebendig wird der Film nicht durch irgendwelche
       Schenkelklopfer-Lesbenwitze, sondern durch die gut beobachtete, gewitzte
       Darstellung von ökoliberalem Lohas-Lifestyle. Wie schnell man Annette
       Bening und Julianne Moore ihre Sprache, ihren Habitus, ihre Kleidung, ihre
       Blicke abnimmt und sie lesen lernt (oder sowieso schon lesen kann), liegt
       an der großen Kunst ihrer beider Performance.
       
       Benings Hassausbruch gegen Hanfmilch, Bio-Mulch und Frucht-Pads ist nicht
       maniriert, sondern authentisch, und Moore hört man als äußerst überzeugende
       Vertreterin ihres Sinusmilieus zu ihrem Sohn sagen: "Ich wünschte, du
       wärest schwul, dann wärst du sensibler."
       
       Den einzigen Vorwurf, den man Cholodenkos Film mit seinen Topdialogen und
       -schauspielerinnen machen kann, ist, dass er die beiden Frauen in einer
       Sexszene schamhaft unter der Bettdecke versteckt, während man vom heißen
       Rammelsex mit Paul deutlich mehr zu sehen bekommt. Ein kleiner Rückfall,
       der recht altbacken männlichen Schwanzstolz befriedigt, aber insgesamt mehr
       als verzeihlich ist. Vielleicht geht's ja auch hier nur um den total
       verallgemeinerbaren Gegensatz von etwas abgeschlafftem ehelichem Sex und
       einem heißen Seitensprung.
       
       ## "The Kids Are All Right". Regie: Lisa Cholodenko. Mit Annette Bening,
       Julianne Moore u. a. USA 2010, 104 Min.
       
       17 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kirsten Riesselmann
       
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