# taz.de -- die Wahrheit: Zwischen Beef! und Mief!
       
       > Fresszeitschriften: Der deutsche Mann sucht sich selbst und findet sich
       > mit Hightech und Ravioli-Pin-ups in der Küche wieder.
       
       Sinnlich senkt die südländische Schönheit die Augenlider. Aber es sind
       nicht ihre halb geöffneten Lippen, es ist nicht der dezent ins Bild
       gerückte Brustansatz, der dem Leser saftige Fantasien verschafft. An einer
       Metallkette hängt der Nackten ein Steak über der Schulter, denn das
       Stillleben in der ganzseitigen Anzeige heißt "Beauty and the Beef": Bei
       [1][www.gourmetfleisch.de] kann der zeitgenössische Heimwerkergourmet seine
       Steaks online bestellen, gerne auch vom Bison und vom japanischen
       Kobe-Rind.
       
       Beef! heißt die neue Koch-, Küchen- und Edel-Fresszeitschrift aus dem Hause
       Gruner + Jahr, deren dritte Ausgabe diesen Herbst erschienen ist. "Für
       Männer mit Geschmack", verspricht der Untertitel, weshalb die Beantwortung
       der Frage, "Warum Rosé auf einmal so sexy ist", gnadenlos mit rosa Nippeln,
       rosa Negligé und einer sich orgastisch verzückt nach hinten beugenden
       Rothaarigen bebildert wird. Vielleicht hat ihr auch ein neuer Homo
       culinarius die Roséflasche über den Schädel gezogen, weil ihr das Parfait
       vom geräucherten Stör mit Kumquatkompott und Rote-Bete-Tatar mit Koriander
       zu salzig war.
       
       Dieses entzückende Ensemble aus sprachlichen Geschmacksverstärkern gehört
       zum aktuellen Vier-Gänge-Menü, anspruchsvoll und herausfordernd, wie "Sie
       es gewohnt sind". Weil dabei Nachkochen und Unsterblichwerden Hand in Hand
       gehen, ist stille Ehrfurcht vor der Kompetenz eines jeden Meisterkochs
       angesagt, der Merguez einigermaßen unfallfrei aussprechen kann.
       
       Das 9,80 Euro teure Heft ist ein Friedhof viriler Archaismen. Die Merguez
       werden in rohem Darm selbst gestopft, rauschebärtige Pfundskerle beugen
       sich über ihren Räucherofen, und der Bildtext verkündet: "Heavy Metal". Die
       Haube des großen Smokers zu öffnen, ist ein bisschen wie Hanteltraining.
       Die Mens World, eine Kochmesse nur für Männer, kündigt extrascharfe Kurse
       zu "Messern als Männersache!" an.
       
       Die Fotostrecke zum kompetenten Wachtelnrupfen heißt astrein und ironiefrei
       "Ich mach dich nackig". Stramm tummeln sich erigierte Ausrufezeichen, und
       das wichtigste Wort ist "professionell". Professionell gute Zutaten,
       professionelles Wissen, professionelles technisches Gerät. Hobbykoch Frank
       zeigt stolz seine Turntables, vulgo Kochplatten, und etwas, das früher
       Mixer hieß: "Der Blender hat so viel Power, dass man ein Handy darin
       schreddern könnte".
       
       Weil ihnen kochendes Weibsvolk früher einmal Schlimmes zugefügt hat, hegen
       Beef!-Macher und Leser augenscheinlich einen tiefsitzenden Groll gegen die
       Frau als solche. Das Heft beginnt mit einem Test aus 57 Sätzen, ob der Mann
       mit der richtigen Frau zusammenlebt. Selbst einem Mario Barth würde "Kann
       ich mal dein Höschen haben, ich muss den Keiler knebeln" aus dem Programm
       gestrichen, hier ist solch Jäger-und-Sammler-Humor stilbildend.
       
       Anstelle von Salat als Sinnbild weiblicher Mäßigung gibt es "Rezepte, die
       sogar Boxer satt machen". Vermutlich, weil Regina Halmich weder Salat isst
       noch kochen kann. Die Ravioli-Rezepte laufen unter der Überschrift "Taschen
       für Männer", die Abo-Werbung weiß: "Männer kochen anders". Und weil Männer
       auch dauernd unterwegs sind, werden als amuse-geule die 18 besten
       Imbissbuden weltweit vorgestellt. Wer zufällig gerade in Tansania ist, um
       sich eine authentische Gewürzmischung vor Ort zusammenzustellen, weiß
       bereits jetzt, dass der Koch im Stonetown Night-Market in Sansibar zum
       Glück ein Mann ist. Selbstverständlich verlässt eine Frau schreiend die
       Küche, wenn sie dort einen Hummer vorfindet.
       
       Beef! ist trotz der betont legeren Schreibe und der hippen Food-Fotografie
       so aufregend wie eine mumifizierte Karotte, die hinter den Küchenschrank
       gerutscht ist. Schuld daran hat natürlich die Putzfrau, denn dass ein Koch
       seine Kombüse selbst aufklart, gehört nicht ins Programm. Die Warenkunde
       schweigt zum professionellen Putzzubehör. Dabei ist gutes Kochen mindestens
       so schmutzig wie guter Sex, und eine saubere Küche so verführerisch wie ein
       frisch bezogenes Bett.
       
       Der Mann mit Geschmack hat keinen Sex, er hat einen Blender. Er ist ein
       verbiesterter Kontrollfreak, der seine Patek Philippe ablegt, bevor er sich
       in seiner 20.000-Euro-Küche ein Spiegelei brät, das er selbst und ohne
       fremde Hilfe archaisch und erbarmungslos mit bloßen Händen aufgeschlagen
       hat. Er hofft, dass bei Handypüree mit Kumquatkompott die kleine Rothaarige
       von Seite 54 schwach werden könnte, aber sie lässt sich weder blendern noch
       blenden, weder vernaschen noch nackig machen.
       
       Umzingelt von Hightech und Ravioli-Pin-ups hat der moderne Bifi die
       sinnlichen Erinnerungen an die Küche seiner Kindheit, an Zutaten von Aldi
       und Rezepte aus Omas alter Kladde erfolgreich verdrängt, das Kochen auf gut
       Glück eingetauscht gegen das Harvard Business Journal für kulinarische
       Distinktionsgewinnler. Haut rein, Jungs.
       
       19 Nov 2010
       
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