# taz.de -- Boxen: Die wilden Sechs sind schlapp
       
       > Mit der Super-6-Serie sollte eine aufsehenerregende Turnierserie der
       > besten Mittelgewichtskämpfer etabliert werden. Das ging allerdings
       > ziemlich in die Hose.
       
 (IMG) Bild: Bleibt weitestgehend unangefochten und muss in Helsinki dennoch unbedingt siegen: "King Arthur" Abraham.
       
       Seit einigen Tagen hält der Boxlehrer Ulli Wegner für seinen berühmtesten
       Schützling eine zweifelhafte Belohnung bereit. Sobald sie mit den letzten
       Übungen fertig sind, schickt er Arthur Abraham für zwei lange Minuten in
       eine auf minus 114 Grad temperierte Kältekammer. Danach fühlt sich der
       30-jährige Berliner armenischer Herkunft, wie kolportiert wird, wieder
       ziemlich frisch - und schwebt durch das eingeschneite Helsinki, als sei es
       Honolulu.
       
       Am Samstag wird der ehemalige Mittelgewichts-Champion der IBF (31 Siege, 1
       Niederlage) diese Coolness gebrauchen können. Dann trifft er in der
       finnischen Hauptstadt auf den hoch eingeschätzten Carl Froch aus
       Nottingham, der ihn seit Wochen beharrlich mobbt - zum Beispiel indem er
       lautstark damit kokettiert, seinem Gegner "vielleicht noch einmal den
       Kiefer" zu brechen, und dessen Qualitäten mit branchenüblichem Trash-Talk
       herabwürdigt.
       
       Im Kern aber geht es beim Duell um den vakanten Titel des Weltverbandes WBC
       im Supermittelgewicht um eine dreifache Rehabilitation. Sowohl "King
       Arthur" als auch "The Cobra" wollen nach jüngsten Ring-Pleiten ihren
       Anspruch auf den Gesamtsieg im so genannten Super-6-Turnier untermauern.
       Dazu braucht auch diese Prestigeserie dringend neue, brisante Vergleiche,
       um daran zu erinnern, dass es sie noch gibt - denn daran konnte man diesen
       Herbst gelegentlich zweifeln.
       
       Die Welt war noch heil und heroisch, als ein paar Promoter und der
       US-Sender Showtime im Sommer 2009 sechs furchtlose Männer als moderne
       Gladiatoren über zwei Kontinente schickte. Die hoch gehandelten Profis
       trommelten für ein weltumspannendes Turnier, das über zwei Jahre den
       Allerbesten in ihrem Limit auslesen sollte. Eine Champions League der
       Preisboxer, in der ganz objektiv Punkte und Tabellen erstellt werden
       würden.
       
       Schon bald aber geriet unliebsame Bewegung ins Teilnehmerfeld. US-Profi
       Jermain Taylor steckte nach seiner K.-o.-Niederlage gegen Arthur Abraham
       vor 13 Monaten auf und zog sich aus dem Sport zurück. Zum Frühsommer musste
       der dänische Favorit Mikkel Kessler wegen einer Augenverletzung bis auf
       Weiteres passen. Beide Abgänge wurden mit den Routiniers Glen Johnson und
       Al Green eher passabel als perfekt kompensiert. Kurz vorm dritten Durchgang
       patzte diesen Herbst dann auch noch Andre Dirrell.
       
       Etliche Monate nach seinem Disqualifikationssieg über Abraham in Detroit
       wollte "The Matrix" plötzlich neurologische Spätfolgen spüren, die seine
       weitere Karriere in Frage stellten. So kommt es, dass Showtime seinen
       Abonnenten morgen das Duell seines Freundes Andre Ward mit dem Kameruner
       Sakio Bika nach dem Kampf aus Helsinki zwar als WBA-WM, nicht aber als Teil
       der Super-6-Serie präsentiert. Nach zwei Siegen ist Ward schon fürs
       Halbfinale qualifiziert - und ein neuer sechster Mann wäre jetzt schwer
       vermittelbar.
       
       Damit geht es den glorreichen sechs ähnlich wie der "Wilden Dreizehn" aus
       der Augsburger Puppenkiste, die im Schlussteil der Jim-Knopf-Saga
       feststellen, dass sie um einen Mann dezimiert sind. Doch Showtimes
       Programmchef Chris de Blasio weist alle Kritik am ausfransenden Turnier
       zurück. Seit seinem Start seien "die engsten und spannendsten Kämpfe"
       zustande gekommen, das Interesse der TV-Kunden habe innerhalb eines Jahres
       um 15 Prozent zugelegt. "Das Turnier ist absolut erfolgreich", so de
       Blasio. In 14 Tagen wird der Sender sogar noch ein weiteres, wenn auch
       kürzeres Turnier zwischen vier Assen im Bantamgewicht starten.
       
       Showdown in Helsinki 
       
       Ob dadurch gleich alles Premium wird in dem Bloody Business, darf man
       bezweifeln. Unstrittig ist jedoch das Potenzial des Showdowns in Helsinki,
       den auch die ARD überträgt (live ab 23.15 Uhr). Froch und Abraham müssen
       beide noch mal punkten, um ganz sicher im Halbfinale zu sein. Außerdem
       wirkt eine zweite Niederlage nacheinander in diesem Zirkus der Sieger wie
       ein beginnender Abschwung. "Ich muss unbedingt siegen", weiß Abraham, "das
       ist das A und O. Es geht um meine Zukunft als Sportler."
       
       Ein Crossroad-Fight also, wie man sagt, bei dem beide Parteien auf
       Erziehung durch Schläge setzen. "Wenn er den Schlagabtausch sucht, wird er
       sein blaues Wunder erleben", warnt Froch schon vorab. Abrahams Trainer
       Wegner zweifelt im Gegenzug, ob der Brite seine Aufgabe richtig einschätzt:
       "Er hat keine Vorstellung davon, wie hart Arthur schlagen kann. Wenn er es
       zu spüren bekommt, wird es zu spät sein." In jedem Fall erwartet sein
       Schützling "eine sehr harte Auseinandersetzung, bei der beide an ihre
       Grenzen und darüber hinaus gehen müssen". Das ist Musik in den Ohren der
       Aficionados, die zuletzt so oft enttäuscht worden sind.
       
       25 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bertram Job
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA