# taz.de -- Schlichtungsgespräche zu Stuttgart 21: Geißler sieht keine Einigung
       
       > Gegner und Befürworter des Bahnhofprojekts sind auch in der letzten
       > Schlichtungssitzung nicht aufeinander zugekommen. Und Heiner Geißler
       > schließt einen Volksentscheid als Lösung aus.
       
 (IMG) Bild: Mmmh....wie soll er den gordischen Knoten bloß lösen: Heiner Geißler am Freitag in der vorletzten Schlichtungssitzung.
       
       STUTTGART dapd | Auch die letzte reguläre Schlichtungssitzung zwischen
       Gegnern und Befürwortern des Bahnprojekts "Stuttgart 21" hat keine
       Annäherung gebracht. Unter dem Vorsitz von Ex-CDU-Generalsekretär Heiner
       Geißler stritten beide Seiten am Samstag im Stuttgarter Rathaus ergebnislos
       über die Kosten für die Neubaustrecke nach Ulm, die Höhe der Kosten eines
       etwaigen Ausstiegs und die Leistungsfähigkeit der Bahnhofskonzepte
       "Stuttgart 21" und "Kopfbahnhof 21". Die Gegner rangen der Bahn zumindest
       die Zusage ab, den geplanten Zugfahrplan von "Stuttgart 21" überprüfen zu
       lassen. Am kommenden Dienstag (30. November) will Geißler nach der
       Abschlusssitzung seinen Schiedsspruch verkünden. Einen Volksentscheid will
       der Schlichter jedoch nicht empfehlen.
       
       Am Samstag wurde die Diskussion um die Kosten des geplanten Bahnhofs und
       der ICE-Neubaustrecke nach Ulm fortgesetzt, ohne dass sich eine Lösung
       abzeichnete. Bahnvorstand Volker Kefer rechnete die Kosten der
       Hochgeschwindigkeitstrasse auf Basis der Kosten der Strecke zwischen
       Nürnberg und Ingolstadt vor. Die Projekt-Gegner unterstellten jedoch Fehler
       bei der Berechnung und prognostizierten eine Kostenexplosion.
       
       Auch in der Frage der Kosten im Falle eines Ausstiegs aus dem Bahnprojekt
       bewegten sich beide Seiten nicht aufeinander zu. Kefer machte klar, dass
       die Bahn Kosten in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro bei einem Scheitern
       von "Stuttgart 21" einklagen würde. Die Gegner kritisierten diese
       Darstellung heftig und sprachen von lediglich 600 Millionen Euro
       Ausstiegskosten.
       
       Auch beim Thema Leistungsfähigkeit von "Stuttgart 21" und dem
       Alternativkonzept der Gegner, dem "Kopfbahnhof 21", kamen sich beide Seiten
       nicht näher. Die Gegner kritisierten den Fahrplan von "Stuttgart 21"
       scharf, der nicht wesentlich mehr Zugverkehr ermögliche als derzeit.
       Angesichts fehlender Planfeststellungsbeschlüsse für Bahnhof und
       Neubaustrecke erneuerten die Gegner ihre Forderung nach einem Bau- und
       Vergabestopp. Bahnvorstand Kefer sicherte zu, eine Untersuchung zu
       veranlassen, ob genügend Pufferzeiten eingeplant seien oder sich
       Verspätungen häufen könnten. Die Befürworter zogen ihrerseits in Zweifel,
       dass der Fahrplan des sanierten Kopfbahnhofs umgesetzt werden könne.
       
       Ein heftiger Streit entspann sich um eine Karte zur Geologie des
       Innenstadtgeländes, wo der Bahnhof entstehen soll und auch die
       Mineralwasservorkommen liegen. Durch die Karte fühlte sich die zuständige
       Wasserschutzbehörde in ein falsches Licht gerückt. Die Gegner mussten
       schließlich einräumen, dass man die Karte so nicht hätte präsentieren
       sollen.
       
       Nach der Schlichtungsrunde sagte die Landesvorsitzende des Bundes für
       Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Brigitte Dahlbender, dass die
       Argumente beider Seiten nach wie vor gegeneinander stünden. Sie hoffe
       darauf, dass Geißler mit seinem Spruch am Dienstag "Stuttgart 21" eine
       Absage erteile. Bernhard Bauer vom baden-württembergischen Umwelt- und
       Verkehrsministerium zeigte sich erfreut, dass der Dialog zwischen Gegnern
       und Befürwortern geglückt sei. Dadurch sei es gelungen, die Situation zu
       befrieden. Er hoffe, dass die Argumente für "Stuttgart 21" von Geißler
       gewürdigt würden.
       
       Die Schlichtungssitzung am Samstag war der letzte Faktenaustausch zwischen
       beiden Seiten. Auch in den bisherigen Runden hatten die Parteien keine
       Annäherung erzielt. Angesichts der verfahrenen Situation stellte Geißler am
       Samstag klar, dass es unmöglich sei, zum jetzigen Zeitpunkt die
       widerstreitenden Interessen auf einen Nenner zu bringen. Damit dämpfte er
       die hohen Erwartungen, die teils an seinen Schlichterspruch gestellt
       werden. In der Süddeutschen Zeitung bezeichnete er einen Volksentscheid
       über das Projekt, auf den viele Gegner gehofft hatten, als "unrealistisch".
       
       Für die Zukunft regte er an, nach dem Schweizer Modell vorzugehen. Dort
       werde erst fixiert, was mit einem Infrastrukturprojekt erreicht werden
       solle, um danach zu prüfen, welche Möglichkeiten es gebe, um das zu
       erreichen. Schließlich würden auch noch die Alternativen diskutiert. Auf
       diese Weise könnten in Zukunft starke Proteste wie die in Stuttgart
       vermieden werden.
       
       Gegen "Stuttgart 21" wird seit Monaten heftig protestiert. Das Projekt
       sieht vor, dass der Stuttgarter Hauptbahnhof für mehr als vier Milliarden
       Euro von einem Kopf- in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut
       wird. Die Schlichtung war angeregt worden, nachdem bei einem Polizeieinsatz
       zur Einrichtung einer Baustelle für "Stuttgart 21" über hundert Menschen
       verletzt worden waren. Am Samstag demonstrierten einige Menschen unter dem
       Motto "Pfefferkuchen statt Pfefferspray" im Schlossgarten friedlich gegen
       das Projekt. Die Veranstalter sprachen von mehreren Hunderten Bürgern, die
       Polizei von 250 Menschen.
       
       28 Nov 2010
       
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