# taz.de -- Klimaveränderung: Die Gigatonnen-Lücke
       
       > Vor dem Klimawandel muss man nicht mehr warnen, aufzuhalten ist er auch
       > nicht mehr. Trotzdem klaffen die Einschätzungen zur Klimarettung immer
       > noch kolossal auseinander.
       
 (IMG) Bild: Das Eis der Grönlandgletscher schmilzt, die Meeresspiegel steigen. Der Klimawandel ist längst da.
       
       BERLIN taz | "Die Verhandlungsparteien müssen einsehen, dass zwischen dem,
       was sie vorschlagen, und dem, was die Wissenschaft verlangt, eine
       gigantische Kluft liegt." Mit diesen Worten hat UN-Generalsekretär Ban Ki
       Moon in dieser Woche einen Bericht des UN-Umweltprogramms Unep vorgestellt.
       Titel: "Die Gigatonnen-Lücke".
       
       Es geht um den Treibhausgas-Ausstoß der Welt: 2009 betrug dieser laut Unep
       weltweit 48 Gigatonnen. 2010 werde diese Menge trotz Klimaschutz um 3
       Prozent steigen. Diesen Wachstumspfad fortgesetzt, steigen die jährlichen
       Emissionen bis 2020 auf 56 Gigatonnen an. "Das wäre eine Kluft von 5
       Gigatonnen, verglichen mit dem Punkt, an dem wir 2020 sein sollten", mahnte
       Unep-Direktor Achim Steiner. Um das 2-Grad-Ziel zu schaffen, dürften 2020
       nicht mehr als 51 Gigatonnen Treibhausgase produziert werden.
       
       "Es ist relativ wahrscheinlich, dass wir in diesem Jahr einen neuen
       Temperaturrekord erleben werden", sagt Stefan Rahmstorf, Professor am
       Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Rahmstorfs vielleicht
       erschreckendste Botschaft: Der Weltklimarat IPCC hat in etlichen Punkten
       offenbar untertrieben. "Die tatsächlichen Messdaten zum Eisschwund in der
       Arktis sind beispielsweise deutlich größer als vom IPCC prognostiziert",
       sagt Rahmstorf. Demnach ist die von Satelliten gemessene Geschwindigkeit
       des Eisrückgangs deutlich größer als von den Klimawissenschaftlern
       simuliert.
       
       Als besonders beängstigend bezeichnet Rahmstorf, dass 2010 erstmals auch an
       der Nordflanke Grönlands die Eisschmelze eingesetzt habe. Bisher war sie
       auf die Küsten im Süden und Osten beschränkt. Das Grönlandeis ist bis zu 3
       Kilometer dick - einer der größten Süßwasserspeicher der Welt. "Würde das
       Eis komplett abschmelzen, stiege der Meeresspiegel um 7 Meter an", so
       Rahmstorf.
       
       Der Weltklimarat IPCC sagt, dass ab einer globalen Erwärmung von 1,9 Grad
       Celsius im Durchschnitt ein Totalverlust des Grönlandeises nicht mehr zu
       verhindern ist. "Ein Kippsystem, das bislang unaufhaltsam auf uns zukommt",
       sagt Rahmstorf: "Klimaskeptiker und auch Politiker behaupten gern, der IPCC
       übertreibe. Ich wünschte, sie hätten Recht!"
       
       Andererseits wird es wärmer, wo derzeit schon Wärme vorherrscht. Die Anzahl
       außer Kontrolle geratener Waldbrände hat auch 2010 wieder deutlich
       zugenommen - und zum ersten Mal auch Gebiete wie Russlands Zentrum erfasst.
       "Bereits heute erleben wir Vorboten, die zeigen, was es bedeutet, wenn Süd-
       und Osteuropa oder Teile Nordamerikas immer trockener werden", so
       Rahmstorf. Brände wie in Russland würden Mitte des Jahrhunderts Alltag; ein
       Sommer, der heute dort als heiß gilt, werde dann in der Kategorie "kühl"
       einzustufen sein.
       
       Dass die Winter in Zentraleuropa dagegen immer kälter werden, ist auch eine
       Folge des Klimawandels. "Harte Winter wie der im vergangenen Jahr
       vervollständigen das Bild globaler Erwärmung", erläutert Vladimir
       Petoukhov, vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Das Fehlen des
       Eises in der Arktis heizt dort untere Luftschichten auf, die wiederum zu
       Störungen der Luftströmungen und zu einer Abkühlung des nördlichen
       Kontinents führen.
       
       29 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nick Reimer
       
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