# taz.de -- Neuer Woody-Allen-Film: Auf dem Schachbrett
       
       > "Ich sehe den Mann deiner Träume", erzählt routiniert von den Wirrungen
       > zweier Paare. Trotz des Hauchs von Belanglosigkeit ist er einer von den
       > besseren späten Allen-Filmen.
       
 (IMG) Bild: Unglücklich mit ihren jeweiligen LebenspartnerInnen: Alfie (Anthony Hopkins) und seine Tochter Sally (Naomi Watts).
       
       Man vergisst es allzu leicht: Zwischen den frühen Siebziger- und den späten
       Achtzigerjahren war Woody Allen einmal ein hochgradig kreativer
       Filmregisseur. Man denke nur an jene genialen Albernheiten in frühen Werken
       wie "Sleeper" oder "Love and Death", in denen die Einflüsse von Buster
       Keaton und den Marx Brothers noch deutlich erkennbar sind. Oder an seine
       Filme aus den späten Siebzigern, seiner wohl stärksten Phase: an "Annie
       Hall" und, natürlich, an "Manhattan".
       
       Aber auch in den Achtzigerjahren hat Woody Allen noch einige gute Filme
       zustande gebracht - die Fellini-Hommage "Stardust Memories" beispielsweise
       oder "Hannah and her Sisters". Für Letzteren bekam Allen sogar den
       Drehbuch-Oscar - bevor er dann in den Neunzigern irgendwie auf die schiefe
       Bahn geriet. Allen begann sich selbst zu kopieren, er wirkte nicht mehr
       zeitgemäß. Was ihn dennoch nicht davon abgehalten hat, zwischendrin immer
       wieder ein paar gute Filme einzustreuen.
       
       Wie fast alle seine jüngeren Werke seit "Match Point" spielt auch Woody
       Allens neuester Film "Ich sehe den Mann deiner Träume" in London. In vier
       ineinander verwobenen Erzählsträngen erzählt er von den Irrungen und
       Wirrungen zweier Paare. Da sind zum einen Helena (Gemma Jones) und Alfie
       (Anthony Hopkins), die sich nach vierzig Ehejahren trennen. Fortan sucht
       jeder für sich das eigene, private Glück. Helena treibt diese Suche in die
       Fänge einer raffgierigen Hellseherin, Alfie landet in den Armen einer
       letztendlich gar nicht so raffgierigen Edelprostituierten namens Charmaine
       (Lucy Punch).
       
       Helenas und Alfies Tochter Sally (Naomi Watts) führt eine unglückliche Ehe
       mit dem erfolglosen Schriftsteller Roy (Josh Brolin) und sehnt sich nach
       einer Affäre mit ihrem Boss (Antonio Banderas). Der hemdsärmelige Roy
       wiederum beobachtet tagaus, tagein die hübsche Dia (Freida Pinto) durchs
       Fenster, obwohl er doch eigentlich dringend seinen Roman zu Ende bringen
       müsste.
       
       Das Prinzip des Begehrens 
       
       Der Eindruck, den "You Will Meet a Tall Dark Stranger", wie der Film im
       Original heißt, hinterlässt, ist so zwiegespalten wie schon lange kein
       Woody Allen mehr. Da ist zum einen eine phänomenale handwerkliche
       Präzision, die immer wieder durchscheint. Etwa in jenem Offkommentar zu
       Beginn des Films, der einen förmlich in die Geschichte hineinsaugt. Oder im
       nuancenreichen Spiel von Naomi Watts, deren doch eigentlich so sanfte Sally
       kurz vor Schluss plötzlich eine ganz andere Seite ihres Charakters
       aufblitzen lässt.
       
       Oder in den grandiosen Innenrauminszenierungen: Die schnellen Schwenks von
       Kameramann Vilmos Zsigmond von einem Raum in den nächsten und wieder zurück
       ordnen Allens Protagonisten im Raum an wie Figuren auf einem Schachbrett.
       Oder in jener Szene, in der Roy endlich das Schlafgemach seiner Angebeteten
       erobert hat, und Allen in einer einzigen kurzen Einstellung, einem
       Fensterblick, das Prinzip von Roys Begehren auf den Punkt bringt.
       
       Leider sind da jedoch auch Dialoge, die nicht mehr viel mit dem Wortwitz
       und der Verve früherer Allen-Werke gemein haben, und Figuren, die, von
       wenigen Ausnahmen abgesehen, gelinde gesagt nicht sonderlich originell
       sind. Und da ist eben auch schon wieder jener sanfte Hauch von
       Belanglosigkeit, der so viele von Allens jüngeren Filmen umweht.
       
       Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Woody Allen durchaus noch in der Lage
       ist, in Maßen Neues auszuprobieren, und dass sein neues Werk zu seinen
       besseren zählt - sofern man den Blick nur auf jene Filme richtet, die er in
       jüngerer Zeit, seit den Neunziger Jahren gedreht hat.
       
       1 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Resch
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Neuer Film von Woody Allen: Ein Amerikaner in Rom
       
       Woody Allens neuer Film „To Rome with Love“ erfreut sich an den
       touristischen Reizen der italienischen Hauptstadt, verliert sich dabei aber
       im Kleinteiligen.
       
 (DIR) Woody-Allen-Dokumentation im Kino: Hinterm Neurotiker
       
       Robert B. Weides Biopic kommt Woody Allen sehr nahe. Vor allem dank der
       großartigen Archivaufnahmen. Dabei verzichtet er aber auf jegliche
       kritische Distanz.
       
 (DIR) "Midnight in Paris" von Woody Allen: Auf Augenhöhe mit der Avantgarde
       
       In "Midnight in Paris", kehren der Held und sein Regisseur in die Boheme
       der zwanziger Jahre zurück. Das ist kitschig, aber vorwerfen kann man das
       Woody Allen nicht.