# taz.de -- Theaterstreit: Der große Graben
       
       > Der Konflikt zwischen der CDU-Fraktion des niedersächsischen Landtags und
       > dem Schauspiel Hannover wegen des Theaterprojekts "Republik Freies
       > Wendland" spitzt sich zu: Die CDU-Fraktion lehnt es ab, öffentlich über
       > den Streit zu diskutieren und will ein Statement von der Landesregierung.
       
 (IMG) Bild: Kurz vor der Tortenattacke: Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin auf der Diskussionsbühne des Theaterprojekts "Republik Freies Wendland".
       
       Die Hütten sind entsorgt, das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft
       ist eingestellt und über den Ballhofplatz in Hannover weht statt der grünen
       Fahne der Republik Freies Wendland nur noch ein kalter Wind. Es ist nichts
       übrig geblieben von dem Theaterprojekt "Republik Freies Wendland -
       Reaktiviert", das Mitte September zehn Tage lang das Stadtbild Hannovers
       prägte. Nichts, außer Erinnerungen bei denen, die dabei waren. Und ein
       Konflikt zwischen dem Schauspiel Hannover und der niedersächsischen CDU,
       der so tief geht, dass bei einer für Freitag geplanten Podiumsdiskussion im
       Schauspiel Hannover trotz mehrfacher Einladung kein CDU-Mitglied erscheinen
       wird.
       
       Als Grund dafür nennt der Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, Jens
       Nacke, ein Interview, das Schauspielintendant Lars-Ole Walburg Anfang
       November der HAZ gegeben hatte. Walburg habe ihm darin unterstellt, er
       "würde diffamieren und lügen. Das finde ich bedenklich. In dem Interview
       hat er weiter gesagt, dass ein persönliches Gespräch mit mir kaum noch
       möglich sei. Da er auch auf Anfrage nicht bereit war, seine Beschuldigungen
       gegen mich zu konkretisieren, gibt es derzeit keine Basis für eine
       gemeinsame Veranstaltung."
       
       Walburgs Interview war eine Reaktion auf eine Kleine Anfrage, die Nacke an
       die Landesregierung gestellt hat. Nacke sagte im Zuge der Anfrage, das
       Projekt "Republik Freies Wendland - Reaktiviert" sei "von radikalen Gruppen
       missbraucht" worden, es sei zu "gewalttätigen Attacken" gekommen und es
       seien "Materialien der Anti-AKW-Bewegung ausgelegt" worden, "darunter auch
       solche, die offen zur Gewalt aufrufen." Die Landesregierung fragte Nacke
       unter anderem, wie sie es beurteile, dass im Zuge des mit öffentlichem Geld
       geförderten Projekts Gewalt ausgeübt worden sei.
       
       Was war passiert? Beim Projekt "Republik Freies Wendland - Reaktiviert"
       errichteten rund 50 Jugendliche unter Anleitung von Schauspielhaus-Profis
       auf dem hannoverschen Ballhofplatz ein Hüttendorf als Rekonstruktion jenes
       Hüttendorfes, das 1980 als "Republik Freies Wendland" in die Geschichte der
       Anti-Atom-Bewegung eingegangen ist. Zehn Tage konnten die Jugendlichen in
       der selbst geschaffenen Kulisse zusammen mit dem herkömmlichen
       Theaterpublikum und geladenen Gästen diskutieren, an Workshops teilnehmen,
       feiern und Konzerte und Theateraufführungen besuchen.
       
       Bereits vor Beginn des Projektes meldete sich der CDU-Landtagsabgeordnete
       Dirk Toepffer zu Wort und prangerte die "eindeutig parteipolitischen
       Programmpunkte" der Veranstaltung an: Das Projekt sei ein "Grünen-Happening
       auf Staatskosten", es sei keine "theatralische Inszenierung", sondern ein
       "Erlebniscamp, in dem scheinbar der Nachwuchs an Demonstranten gefördert
       werden soll".
       
       Ausgerechnet Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin wurde dann als Podiumsgast
       bei einer Diskussionsrunde Opfer einer Torten-Attacke, die ein maskierter
       Täter verübte. Das Theater verurteilte den Angriff scharf, Trittins
       Gesprächspartnerin auf dem Podium, Aktivistin Hanna Poddig, distanzierte
       sich nicht. Daraufhin beendete das Theater die Zusammenarbeit mit ihr.
       
       Der niedersächsischen CDU reichte das keineswegs. "Man kann nicht erwarten,
       dass der Bürger Projekte unterstützt, bei denen nicht nur zur Gewalt
       aufgerufen, sondern diese auch noch praktiziert wird", sagte Nacke.
       Hannovers Schauspielintendant Lars-Ole Walburg wehrte sich daraufhin mit
       besagtem Interview in der HAZ: "Die CDU-Landtagsfraktion versucht
       Fehlinformationen über das Projekt zu verbreiten, und will es in Misskredit
       bringen. Ich bin auch nicht mehr gewillt, diese Diffamierungen und Lügen
       weiter so hinzunehmen."
       
       Der taz sagte Walburg, das Theater habe von Anfang an das Motto "Keine
       Gewalt" ausgegeben und trotzdem abgelegtes Material immer wieder zeitnah
       entfernt. Außerdem habe es keine "Attacken" gegeben, der Angriff auf Jürgen
       Trittin sei ein Einzelfall gewesen. "Sowas kann bei jeder öffentlichen
       Diskussion passieren."
       
       Bei der Frage nach der Finanzierung kann das Theater darauf verweisen, dass
       rund die Hälfte der Mittel, nämlich 30.000 Euro, von der Kulturstiftung des
       Bundes gegeben wurde. Das wiederum ist weniger fiskalisch interessant, als
       dass es das Projekt künstlerisch nobilitiert: Die Kulturstiftung des Bundes
       macht sich schließlich ihrerseits Gedanken, welche Projekte sie unterstützt
       und welche nicht.
       
       Den Vorwurf, er hätte eine parteipolitische Werbeveranstaltung und kein
       Theaterprojekt veranstaltet, kontert Walburg mit dem Verweis auf das
       Programm des Projekts: Es habe in den zehn Tagen sechs Theateraufführungen,
       drei Konzerte, zwei Filmvorführungen, sieben Gesprächsveranstaltungen und
       sieben Workshops gegeben. Über dieses Programm habe man junge Menschen an
       eine praktische Umsetzung von Demokratie herangeführt. "Dass das Projekt
       punktgenau mit der Entscheidung für eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten
       zusammenfiel, konnten wir bei der Planung des Projektes nicht wissen."
       
       Wie es nun am Freitag mit der Podiumsdiskussion laufen wird, ist noch
       unklar. Neben der CDU hat auch die FDP ihre Teilnahme abgesagt, letztere
       aus Termingründen. Damit fehlt dem Podium, auf dem der Philosoph Oskar
       Negt, der Theatermacher Jürgen Kuttner und Intendant Lars-Ole Walburg
       sitzen, die Gegenseite. Entfallen soll die Veranstaltung trotzdem nicht.
       
       1 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Irler
       
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