# taz.de -- Zugehörigkeit: Die Ehre des Andreas Wankum
       
       > Wie der Immobilienunternehmer Andreas Wankum, ehemals Vorsitzender der
       > Jüdischen Gemeinde Hamburg, um die Anerkennung seines Jüdischseins
       > kämpft.
       
 (IMG) Bild: Als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hamburg unterschreibt Wankum (links) 2007 den Staatsvertrag für die Jüdische Gemeinde.
       
       Es ist noch nicht so lange her, da drehte Andreas Wankum das große Rad. Als
       Immobilienunternehmer mischte er mit beim Neubau der HSV-Arena, als
       Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hamburg unterzeichnete er den
       Staatsvertrag mit Ole von Beust. Wankum stand im Rampenlicht, öffentliche
       Auftritte waren in Blitzlichtgewitter getaucht, und es ist wohl nicht zu
       viel gesagt, dass er diese Auftritte genossen hat.
       
       Jetzt sitzt Wankum, 55, an einem trüben Freitagnachmittag in einem Saal des
       Hamburger Landgerichts, Pressekammer, und die Zuschauerbänke sind fast
       leer. Wankum trägt einen eleganten grauen Anzug mit einer gelben Schleife
       im Revers, demonstrativ gelangweilt schaut er nach hinten, sucht
       Blickkontakt mit den wenigen Getreuen, die gekommen sind.
       
       Wankum klagt gegen Spiegel online, wo ein Bericht über ihn stand, der nicht
       sehr schmeichelhaft war. Es ging darin sehr viel um Wankums Mutter Ruth,
       die auf dem Jüdischem Friedhof in Hamburg ruht. Eine Vertreterin der
       Jüdischen Gemeinde hatte gesagt, möglicherweise werde man "über eine
       Umbettung reden müssen", die Vertreterin, es ist Karin Feingold,
       stellvertretende Vorsitzende der Gemeinde, ist jetzt als Zeugin geladen.
       
       Umbettung, Störung der ewigen Totenruhe: das ist ein heikles Thema für
       einen Juden, aber genau darum, ob Andreas C. Wankum, als ehemaliger
       Vorsitzender der Gemeinde einst Mitglied im Zentralrat der Juden, überhaupt
       Jude ist, geht es in dem Prozess. Sein Nachfolger Ruben Herzberg hat ihn
       aus der Gemeinde ausgeschlossen, über ein Jahr ist das jetzt her. Wankum
       sei "unter falscher Flagge gesegelt", sagte Herzberg damals dem Hamburger
       Abendblatt.
       
       Der jetzige Gemeindevorstand hatte Akten ausgegraben, nach denen bei
       Wankums Mutter als Religion nicht jüdisch angegeben war, sondern
       evangelisch und später "verschiedene". Auch seine Großmutter und
       Urgroßmutter seien als "lutherisch" registriert gewesen. Jude ist, wer eine
       jüdische Mutter hat - oder übergetreten ist. Übergetreten ist Wankum nicht,
       daher, folgerte der Gemeindevorstand, sei er kein Jude.
       
       In dem Streit sind die Fronten verhärtet. Hat sich Wankum, der auch als
       CDU-Abgeordneter in der Hamburger Bürgerschaft sitzt, mit Hilfe von
       Barsilay in die Jüdische Gemeinde eingeschlichen, um politisch wieder auf
       die Beine zu kommen, wie seine Gegner behaupten? Wenige Monate nachdem er
       in die Gemeinde aufgenommen worden war, musste Wankum im Dezember 2000
       Privatinsolvenz anmelden, weil er mit dem Bau des HSV-Stadions in
       Zahlungsschwierigkeiten geraten war. Seine Geschäfte konnte Wankum nur
       weiterführen, weil seine Frau einsprang. Sie ersteigerte für ihn auch
       wieder sein Ferienhaus auf Sylt.
       
       All das habe Wankums Karriere nichts anhaben können, schrieb der Spiegel.
       Mit seiner Wahl zum Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde habe Wankum "im
       Hamburger Rathaus protokollarisch wieder weit oben" rangiert.
       
       Weil er das nicht auf sich sitzen lassen will, ist Wankum hier und spielt
       mit seinem Blackberry, während die Vernehmung von Gemeindevorständin
       Feingold auf den entscheidenden Punkt zusteuert. Wer denn die entscheidende
       Autorität sei, zu bestimmen, ob jemand als Jude beerdigt wird oder nicht,
       wollen die Richter wissen. Die Kultuskommission der Gemeinde? Oder der
       Rabbiner? "Das ist eine rabbinische Entscheidung", sagt Feingold kleinlaut
       und bestätigt damit, was sie nicht bestätigen will.
       
       Der damalige Landesrabbiner Dov-Levy Barsilay war es, der Wankum in die
       Gemeinde aufgenommen hatte. Auch er ist als Zeuge geladen, als eiliger
       Zeuge, denn der Sabbat beginnt in wenigen Stunden.
       
       Also die Mutter von Herr Wankum, die er jüdisch beerdigt hatte: "Wenn Herr
       Wankum sie nicht hätte jüdisch beerdigen wollen, hätte er sehr großen Ärger
       mit mir bekommen", dröhnt der Rabbiner, der im Streit von der Jüdischen
       Gemeinde geschieden ist. In solchen Dingen sei der Rabbiner immer "die
       letzte Autorität, wie das heute in der jüdischen Gemeinde Hamburg ist, weiß
       ich nicht", sagt Barsilay, der mit Kippa und Hut erschienen ist, nur den
       Hut legt er ab, die Kippa nicht.
       
       Einige Tage nach dem Prozesstermin sitzt Wankum in seinem Büro in bester
       Hamburger Lage, der Blick geht in einen Innenhof, dahinter liegt die
       Innenalster, die sieht man aber nicht. Wankum ist legerer gekleidet als vor
       Gericht, sein Anzug nicht ganz so elegant, er trägt auch keine Krawatte,
       nur die gelbe Schleife steckt wieder im Revers. Mit Israel habe die
       Schleife nichts zu tun, sagt er, sondern mit den Soldaten der Bundeswehr in
       Afghanistan. Allerdings sei er oft in Israel, seine Tochter lebe da, die
       sei, da seine Frau nicht Jüdin ist, zum Judentum konvertiert, auch sein
       Sohn befinde sich derzeit dort und lerne die Sprache.
       
       Wankum erzählt gerne von Israel, dem Land, in dem Juden streng orthodox
       leben und trotzdem Geschäfte machen können. In Deutschland sei das nicht so
       leicht. "Am Ende haben die Nazis ja doch gewonnen", sagt er, "die besten
       von uns sind aus Deutschland weggegangen. Wissen Sie, wir Juden sind, wie
       soll ich sagen, internationaler, wir ziehen einfach woanders hin."
       
       In seinem Büro stehen viele Fotos, die ihn mit den Mächtigen zeigen, Kohl
       ist dabei, Gorbatschow, aber auch Simon Peres. Ein Foto zeigt Wankum mit
       einem Enkel von Martin Luther King, "Martin Luther King der Dritte",
       witzelt er, aber dann lässt es ihm doch keine Ruhe, wie hieß der noch mal
       richtig, er holt das Foto und zeigt auf das Autogramm: "Dexter Scott King,
       schreiben Sie das auf."
       
       Seine Familie, sagt Wankum, sei nicht sehr religiös gewesen, nur beiläufig
       habe er erfahren, dass sie Juden seien, das war 1969 und Wankum war 14
       Jahre alt. 1978 oder 1979 soll er dann bei der Jüdischen Gemeinde
       vorgefühlt haben, wie es um eine Aufnahme bestellt sei. So jedenfalls
       berichtet es der Zeuge Josef Zweigel beim Prozess gegen den Spiegel.
       Zweigel, ein kleiner Mann mit großer Brille, sagt, er könne sich noch genau
       erinnern. "Sie trugen einen Oberlippenbart und fuhren einen weißen Peugeot
       504 mit blauen Sitzen!", ruft er Wankum zu. "Beige", sagt Wankum, "die
       Farbe war beige", aber er nickt.
       
       Wankum habe sich an ihn gewandt, weil er mit dem damaligen Kantor und
       Geschäftsführer der Gemeinde, Günter Singer, über eine Aufnahme in die
       Gemeinde sprechen wollte, sagt Zweigel. Später habe Singer ihm, Zweigel,
       mitgeteilt, dass Wankum die erforderlichen Unterlagen nicht habe beibringen
       können, dass seine Mutter Jüdin sei.
       
       Mit Wankum habe er dann noch über eine mögliche Konvertierung geredet, und
       dass er in diesem Fall an einer Beschneidung wohl nicht vorbeikäme. Man
       sprach über einen Arzt in der Schweiz, der die Prozedur vornehme, und er
       habe noch gescherzt, Wankum solle die Eisbeutel nicht vergessen. "Sie
       müssen nämlich wissen", Zweigel wendet sich zu den Richtern, "das ist
       ziemlich schmerzhaft!"
       
       "Das wird schon stimmen", sagt Wankum später in seinem Büro. Nach einem
       früheren Gespräch mit Singer sei er immerhin vom Wehrdienst freigestellt
       worden, als "ehemals politisch Verfolgter" in der dritten Generation.
       
       Die Papiere seien da offenbar kein Problem gewesen. Wankum zückt seinen
       Blackberry: "Bringen Sie mir doch bitte mal einen Ariernachweis", und dann
       kommt seine Sekretärin und bringt das Dokument, 1938 unterschrieben, in dem
       Wankums Großvater umständlich erklärt, dass "Morgenstern" gar nicht
       unbedingt ein jüdischer Name ist, wie viele glauben, und in dem beigefügten
       Familienstammbaum steht entweder nichts oder "evangelisch". Sein Großvater
       habe ihm erzählt, dass sie die Dokumente in der Nazizeit gefälscht haben,
       sagt Wankum, aber darauf komme es gar nicht an. "Die Jüdische Gemeinde ist
       nicht befugt, über mein Jüdischsein zu entscheiden."
       
       Gleich nach Wankums Rausschmiss hatte sich der Zentralrat der Juden auf
       seine Seite gestellt. Der Gemeindevorstand unter Herzberg versuche sich
       eines Gegners zu entledigen, sagte der Generalsekretär des Zentralrats,
       Stefan Kramer. Für ihn rieche das nach "persönlicher Vendetta".
       
       Gegenüber der linksliberalen israelischen Zeitung Haaretz sagte Kramer, es
       gebe wichtigere Dinge im Judentum als die Frage, ob die Mutter jüdisch sei
       oder nicht. "Wenn Sie der jüdischen Sache Geld spenden und eine Tochter
       erziehen, die konvertiert ist und ein traditionelles jüdisches Leben in
       Israel lebt, dann sind Sie, glaube ich, jüdischer als Leute, die damit
       drohen, Ihre Mutter aus ihrem Grab zu nehmen."
       
       Inzwischen kann sich Wankum auf ein Urteil des Religionsgerichts der
       orthodoxen Rabbinerkonferenz berufen, wonach seine Aufnahme in die Jüdische
       Gemeinde durch den damaligen Landesrabbiner Barsilay mit den
       Religionsvorschriften übereinstimmt. Barsilay, selbst Mitglied der
       Konferenz, hatte sich damals auf Zeugen berufen, die bestätigten, dass
       Wankums Familie jüdisch sei, und in dem Urteil der Rabbinerkonferenz geht
       es genau darum: wie viele und welche Zeugen gehört werden müssen, damit
       klar ist, dass jemand Jude ist, ob diese Zeugen Juden sein müssen oder ob
       auch andere gehen, solche Dinge.
       
       Die Jüdische Gemeinde sagt, dass sie das Urteil noch nicht gesehen hat und
       darum nichts dazu sagen könne. "Die kriegen das auch nicht", sagt Wankum,
       "das geht die überhaupt nichts an." Er selbst betrachte sich nach wie vor
       als Gemeindemitglied.
       
       Im kommenden Jahr sind wieder Wahlen in der Jüdischen Gemeinde, Wankums
       Liste Atid wird antreten. Ob er selbst kandidieren will, sagt er nicht. Im
       Sommer, als nach dem Rücktritt von Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust der
       Senat umgebildet wurde, war er als Wissenschafts- und als Kultursenator im
       Gespräch. Es wurde nichts daraus. Der Streit mit der Jüdischen Gemeinde
       habe ihm "politisch eher geschadet", meint er.
       
       In seiner Zeit als Vorsitzender habe Wankum einen "regimehaften
       Führungsstil" gepflegt, hat Karin Feingold vor Gericht gesagt, mit einem
       Seitenblick auf ihren Widersacher. Sie ist nicht die Einzige, die das sagt,
       Wankum hat viele Feinde, aber auch Freunde. Und bis zu den Wahlen ist ja
       noch etwas Zeit.
       
       3 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Wiese
       
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