# taz.de -- Abriss schafft Platz für Potsdamer Garnisonkirche: Die Allianz der Geschichtslosen
       
       > Bei den Abrissarbeiten für die Kirche zeigt halb Potsdam seinen seltsamen
       > Umgang mit der preußischen Vergangenheit.
       
 (IMG) Bild: Da standen noch die Reste: Garnisonkirchen-Ruine 1963
       
       Es gibt Grundsteinlegungen, Richtfeste und Einweihungen, nur für Abrisse
       kennt man in Deutschland kein Zeremoniell. Anders in Potsdam, wo am
       vergangenen Wochenende mit einer regelrechten Party der Abriss des
       Flachbaus am Rechenzentrum Breite Straße gefeiert wurde. Die DDR-Platte
       stand dem Rekonstruktionsbegehren für den Turm der Garnisonkirche im Wege.
       Es gab Freibier, Suppe aus der Gulaschkanone und echt gute Laune. Die
       Aktion "Fröhlicher Abriss" der Stiftung Garnisonkirche Potsdam (SGP) samt
       Fronteinsatz der Bagger wurde von den "Turmbläsern" begleitet.
       
       Bei der Fete ging es nicht nur darum, einen weiteren Schritt im Rollback
       zum historischen Stadtbild zu feiern. Der Abriss als Anfang des
       Wiederaufbaus der Kirche sollte auch als Antwort gelten auf deren
       Zerstörung. Im Mai 1968 hatten die SED-Genossen unter Jubelrufen das
       "Symbol des preußischen Militarismus" in die Luft gejagt. Mit ein wenig
       Gleichem wollte man ihnen dies jetzt zurückzahlen.
       
       Verwerflich ist so eine Rachefeier natürlich nicht, eher etwas peinlich.
       Der "fröhliche Abriss" wirft jedoch die Frage nach dem Umgang mit der
       Geschichte in Potsdam auf. Zur Abrissparty kamen Oberbürgermeister Jann
       Jakobs (SPD), der ehemalige brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm
       (CDU) und Altbischof Wolfgang Huber. Stadtverordnete unterschiedlichster
       Couleur wurden gesichtet, Ganisonkirchenfans, Stiftungsmitglieder und viele
       Bürger.
       
       Der Vorsitzende der Fördergesellschaft zum Wiederaufbau der Garnisonkirche,
       Johann-Peter Bauer, bilanzierte, bislang seien 3 Millionen Euro für das
       Vorhaben gesammelt worden. Weil das nicht reiche - nicht mal für den
       Kirchturm, der bis 2017 stehen soll -, setze der Verein auf Großspender.
       "Es laufen viele Gespräche im Hintergrund", so Bauer. Sicher sei aber, dass
       man es schaffen werde.
       
       Der Optimismus ist begründet. Ist doch in Potsdam das Maß an Verständigung,
       sich auf die preußische Geschichte zurückzubesinnen, außergewöhnlich hoch.
       Ebenso hoch sind die Spenden dafür. So wundert es kaum, dass bis auf die
       Fraktionen Die Andere und ein paar Hardcore-Linke, die das "fragwürdige"
       Projekt kritisieren, alle Parteien und Gruppen die geplante Rekonstruktion
       mittragen.
       
       Von links bis rechts herrscht Einvernehmen, die städtebauliche Wunde im
       Zentrum zu beseitigen. In Potsdam könne "man Grün oder Rot wählen und für
       den Wiederaufbau der Garnisonkirche sein", umreißt Martin Sabrow, Direktor
       am Zentrum für Zeithistorische Forschung, das breit gefächerte politische
       und gesellschaftliche Spektrum, "das interessanterweise frei vom Vorwurf
       der Rückschrittlichkeit" sei.
       
       Richtig ist, dass sehr wohl Kritik - etwa die von Landeskonservator Detlef
       Karg - an der Rekonstruktion besteht. Richtig ist ebenso, dass ein denkmal-
       oder ideologisch gefärbter Streit über das Thema und dessen Sinnstiftung
       öffentlich nicht mehr ausgetragen wird. Wie schon bei den Plänen zum
       Stadtschloss übt sich Potsdam in Sachen Wiederaufbau der Garnisonkirche in
       Harmonie. Auch weil man möchte, dass die Stadt vom Boom der
       Erinnerungskultur profitiert. Nur: Stadtentwicklung wird damit zur
       baulichen Nostalgie verkleinert.
       
       Die (fast) kollektive Sehnsucht nach Vergegenwärtigung von Vergangenheit
       verdrängt nicht nur einen notwendigen Diskurs über Geschichte. Fast
       folgerichtig kommt hinzu, dass angesichts der überbreiten Allianz
       Nivellierungen stattfinden, kein Konzept entsteht und sich falsche Freunde
       einfinden: Der 1735 unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I.
       fertiggestellte Barockbau mit seinem über 80 Meter hohen Turm war ein
       Wahrzeichen Preußens. Die Garnisonkirche war Soldatenkirche, Grabeskirche
       der Könige und Weihestätte für die Waffen der Militärs. Sie war
       Gemeindekirche, aber ohne bürgerliche Tradition, wie der Bürgerrechtler
       Lutz Boede anmerkt. Berühmt war ihr Glockenspiel: "Üb immer Treu und
       Redlichkeit", was zum Sinnbild preußischer Tugend und Moral avancierte.
       Nicht zufällig inszenierten dort am 21. März 1933 die Nazis mit einem
       Staatsakt Hitlers Ernennung zum Reichskanzler. Der "Tag von Potsdam"
       symbolisierte das Kontinuum der Politik der Nazis mit der von Preußen.
       
       Die Schatten der NS-Zeit und der reaktionäre "Geist von Potsdam" spielen
       für das bunte Sammelsurium der Aufbauenthusiasten kaum eine Rolle, wird
       Geschichte von ihnen doch positiv umgedeutet. Damit fängt die nächste
       Schwierigkeit an. So geschichtsbereinigt drauf muss man sich in Potsdam die
       Frage gefallen lassen, wofür die Garnisonkirche einmal stehen soll. Das
       Konzept einer Versöhnungs- und Friedenskirche, das die Fördergesellschaft
       antreibt, ist vielen zu vage. Ein Ausstellungszentrum über den Widerstand
       gegen Hitler, wie Exministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) vorschlägt,
       grenzt an Euphemismus. Die revisionistischen Pläne der
       "Traditionsgemeinschaft" um den Preußenschwärmer Max Klaar, der für ein
       Comeback der Garnison-Kopie als Soldatenkirche ist, gefallen der Stiftung
       und der Bauer-Gesellschaft nicht. Mehr ist nicht. Also: Was feiert man
       eigentlich?
       
       die Stadt vom Boom der Erinnerungskultur profitiert -->
       
       8 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rolf Lautenschläger
       
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