# taz.de -- Weniger Platz für Dokus im TV: "Es ist ein Teufelskreis"
       
       > Durch zunehmenden Quotendruck und die ARD-Programmreform wird der Platz
       > für Dokumentarfilmer knapp. Dabei sind deren Arbeitsbedingungen ohnehin
       > prekär.
       
 (IMG) Bild: Die Zukunft der Dokumentation? Einer von 88 Dokumentarfilmen der HFF in der Münchner Pinakothek der Moderne.
       
       Es ist eine fragwürdige Auslegung des Bildungs- und Kulturauftrags des
       öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die sich da in der von den
       ARD-Intendanten beschlossenen Programmreform widerspiegelt. Fünfmal wird ab
       2011 im Ersten wöchentlich getalkt, von Sonntag bis Donnerstag, weil die
       ARD die Qualitätsführerschaft im deutschen Fernsehen unterstreichen will -
       dafür fällt der Doku-Sendeplatz am Montag um 21 Uhr weg (taz vom 1./2.
       12.). 
       
       "Das ist eine Katastrophe", sagt Heiner Stadler, Professor für
       Dokumentarfilm an der HFF in München. "Die Doku ist für das Profil des
       Ersten ungeheuer wichtig. Ohne sie lässt sich das Programm bald kaum noch
       von den Privatsendern unterscheiden." Doch nicht nur das langsame
       Verschwinden der Programmvielfalt ist ein Problem, sondern auch: die
       Situation der Dokumentarfilmer.
       
       "Wir werden ohnehin schon zu schlecht bezahlt", sagt Thomas Frickel. Er ist
       der Vorsitzende der AG Dok, des Zusammenschlusses deutscher
       Dokumentarfilmer. "Seit Jahren gehen die Vergütungen nach unten. Viele
       haben den Punkt erreicht, an dem sie von ihrer Arbeit nicht mehr leben
       können." Der Wegfall des Sendeplatzes am Montag verschärfe die Lage weiter,
       der Konkurrenzdruck unter den vielen freien Filmemachern erhöhe sich.
       Gewerkschaftlich organisiert sind sie nicht, es gibt keine Tariflöhne, aber
       eine Menge Idealismus. "Das weiß die ARD ganz genau", sagt Frickel, und
       deswegen ziehe man die Löhne immer weiter nach unten, weil man darauf
       setze, dass die Dokumentarfilmer ihre Filme trotzdem machen - aus
       Überzeugung.
       
       Martina Fluck ist Geschäftsführerin einer kleinen Filmproduktion in
       Schleswig-Holstein und konnte lange von Dokus leben. Das hat sich geändert,
       seit die Quotendiskussion Einzug gehalten hat bei den
       Öffentlich-Rechtlichen: "Mit dem Argument, es schaut niemand
       Dokumentarfilme, werden sie zu Zeiten gesendet, an denen niemand schaut -
       es ist ein Teufelskreis." Auch Fluck kann nur selten kostendeckend
       arbeiten. "Dass bei uns auch Existenzen dranhängen, dass von dem Geld
       Familien ernährt werden müssen, vergessen die Redakteure oft, glaube ich",
       sagt sie. Deswegen macht sie nun auch Werbung. Die ARD-Programmreform hat
       sie sehr verunsichert: "Wir haben in Deutschland einen hohe Dichte an
       Dokumentarfilmern, die staatlichen Hochschulen bilden jedes Jahr neue aus.
       Wo sollen die noch Arbeit finden?"
       
       Natürlich existieren Alternativen. Professor Stadler von der HFF sieht in
       der Zusammenarbeit mit Museen eine Möglichkeit, unabhängig vom Fernsehen
       gute Dokumentationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und
       dabei kostendeckend zu arbeiten. "Seit einer Woche zeigt die HFF in der
       Münchner Pinakothek der Moderne in einer Ausstellung 88 Dokumentarfilme -
       die Leute stehen Schlange." Doch die Dokufilmer sehen es nicht ein, sich
       einfach so von den Öffentlich-Rechtlichen abzuwenden. "Das Programm der ARD
       muss frei von Quotendruck sein", sagt Thomas Frickel, "daran muss man sie
       immer wieder lautstark erinnern."Außerdem habe die ARD ja die etwa 7,5
       Milliarden Gebühreneinnahmen pro Jahr, die eine angemessene Bezahlung
       eigentlich möglich machen müssten.
       
       Also kämpfe man weiter. "Das Publikum des Ersten geht bald in Rente, und
       wenn der Sender nicht untergehen will, muss etwas Grundsätzliches geändert
       werden", sagt Professor Stadler. "Ich persönlich werde einen Teufel tun und
       einem jungen Studenten abraten, Dokumentarfilm zu studieren. Worüber sollen
       die Talkshows denn reden, wenn keine Dokumentarfilmer Themen ins Gespräch
       bringen?"
       
       8 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benjamin Weber
       
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