# taz.de -- Flüchtlingsboot vor Australien gesunken: Geht doch nach Nauru!
       
       > Ein Flüchtlingsboot ist an den Klippen vor der australischen
       > Weihnachtsinsel zerschellt und gesunken. Trotz geringer Flüchtlingszahlen
       > schottet sich das Land rigide ab.
       
 (IMG) Bild: Im Jahr 2001 starben in internationalen Gewässern 353 Flüchtlinge, die auf einem kaum seetüchtigen Boot auf dem Weg nach Australien waren.
       
       Die Tragödie vor der Weihnachtsinsel dürfte in Australien die Debatte um
       die Flüchtlingspolitik erneut anheizen. Denn die Behandlung von
       Asylsuchenden, die ohne Papiere auf schäbigen Fischerbooten in
       australischen Hoheitsgewässern eintreffen und mitunter jahrelang interniert
       werden, ist ein emotionales und oft von rassistischen Untertönen
       begleitetes politisches Thema. So meinte der konservative Oppositionsführer
       Tony Abbott im Sommer dieses Jahres, er würde die Boote "einfach ins Meer
       zurückschieben" - obwohl die Passage über die Timorsee als eine der
       gefährlichsten der Welt gilt.
       
       Im Jahr 2001 starben in internationalen Gewässern 353 Flüchtlinge, die auf
       einem kaum seetüchtigen Boot auf dem Weg nach Australien waren. Bis heute
       ist umstritten, ob die australische Marine von der Seenot wusste, aber von
       der damaligen konservativen Regierung daran gehindert wurde, die
       Ertrinkenden zu retten.
       
       Im vorigen Jahr kamen staatlichen Angaben zufolge 2.849 Menschen auf dem
       Seeweg nach Australien - nach deutlich niedrigeren Zahlen der Vorjahre ein
       Rekord. Die meisten stammten aus dem Irak oder aus Afghanistan. Die
       Aufgegriffenen werden auf der Weihnachtsinsel oder in Lagern auf dem
       australischen Festland interniert. Die sozialdemokratische Regierung von
       Premierminister Kevin Rudd, die 2007 die Macht von den Konservativen
       übernommen hatte, wollte deren "Politik der Abschreckung" von Asylsuchenden
       abschwächen. Dieses Versprechen haben Rudd und seine Nachfolgerin Julia
       Gillard nur bedingt eingehalten.
       
       Zwar hatte Labor-Premierminister Paul Keating Anfang der neunziger Jahre
       die Internierung von Bootsflüchtlingen begonnen. Verfeinert und als
       wirkungsvolle politische Waffe genutzt aber wurde sie von seinem
       erzkonservativen Nachfolger John Howard. Dieser starrte im Jahr 2001 einer
       Wahlniederlage ins Gesicht, als vor der Weihnachtsinsel das norwegische
       Frachtschiff "Tampa" erschien. Es war mit über 300 schiffbrüchigen, zumeist
       afghanischen Flüchtlingen beladen. Sie hatten versucht, in zerbrechlichen
       Fischerbooten von Indonesien aus nach Australien zu gelangen, und waren
       nach dem Kentern ihrer Boote von der "Tampa" aufgegriffen worden.
       
       Doch Howard verweigerte dem Frachter die Einfahrt in australische Gewässer.
       Mit der Begründung, es könnten sich unter den Asylanten "Terroristen
       verstecken", ließ er das Schiff von der Armee stürmen. Die erschöpften und
       kranken Flüchtlinge wurden auf die isolierte Pazifikinsel Nauru
       verfrachtet. Howard hatte die "pazifische Lösung des Flüchtlingsproblems"
       erfunden, wie er diese Politik nannte. Selbst Kinder mussten jahrelang
       hinter Gittern ausharren. Die Vereinten Nationen kritisierten das Vorgehen
       als Verstoß gegen die Menschenrechte. Seine Gegner warfen Howard vor, aus
       politischen Gründen an die Fremdenangst der Australier appelliert zu haben.
       Denn ein großes Problem waren die Menschen, die auf diesem Weg nach
       Australien kommen, zu keiner Zeit. Im Durchschnitt schafften es pro Jahr
       nur ein paar hundert Flüchtlinge von Indonesien durch die gefährlichen
       Gewässer des Timormeeres bis in australisches Territorium. Doch für den
       Premier ging der Plan auf: Wenige Wochen nach dem "Tampa"-Vorfall wurde er
       wiedergewählt. Bis heute patrouilliert die Kriegsmarine in den Gewässern im
       Norden des Kontinents.
       
       Viele Internierte werden durch den langen Aufenthalt hinter Stacheldraht
       traumatisiert. Selbstmordversuche, Verstümmelungen, Gewalt und Krawalle
       gehören zum Alltag. Dass es sich bei den meisten Asylsuchenden um
       Flüchtlinge gemäß Definition der Vereinten Nationen handelt, zeigt die
       Tatsache, dass schließlich über 98 Prozent von Australien als solche
       anerkannt werden. Die meisten Asylbewerber fügen sich nach der Anerkennung
       problemlos in die australische Gesellschaft ein.
       
       15 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Urs Wälterlin
       
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