# taz.de -- Attac warnt vor US-Investor bei Hessnatur: Heuschrecken-Alarm in Butzbach
       
       > Das Öko-Versandhaus Hessnatur muss verkauft werden. Unklar ist noch, ob
       > der Fonds Carlyle wirklich einsteigt. Allerdings gehören ihm auch
       > Dutzende Rüstungsfirmen.
       
 (IMG) Bild: Bedrohte Idylle? Laden von Hessnatur in Butzbach.
       
       Vor der Firmenzentrale von Hessnatur in Butzbach werden am Freitag
       Demonstranten auflaufen: Sie wollen gegen einen möglichen Verkauf des
       Öko-Bekleidungshändlers an den US-Investor Carlyle protestieren. Attac hat
       einen Aufruf verbreitet und eine Protestunterschriftenaktion im Internet
       gestartet. "Bewusst gezahlte Extra-Euro für faire Ökokleidung landen dann
       auf denselben Konten wie die Erlöse aus Panzer- und Minenverkauf", warnt
       die Organisation.
       
       Carlyle ist ein großer Private-Equity-Fonds aus den USA, der etwa 1.000
       Firmen besitzt. Mehr als zwei Dutzend davon sind im Rüstungsgeschäft
       engagiert. "Das würde ja nicht so gut zusammenpassen", drückt sich
       Hessnatur-Geschäftsführer Wolf Lüdge relativ vorsichtig aus.
       
       Am Mittwoch hatte die Frankfurter Rundschau berichtet, dass der
       gegenwärtige Eigentümer von Hessnatur, die Primondo Speciality Group, die
       Geschäftsführung vor die Tür setzen wolle, weil diese Widerstand gegen den
       Verkauf angekündigt habe. Daraufhin rief Lüdge bei Primondo an: Er habe von
       dort ein klares Dementi erhalten. Auch die Sprecherin von Carlyle wiegelte
       gestern ab: "Die Meldung ist eine Ente."
       
       Das Mitte der 70er Jahre gegründete Versandhaus Hessnatur ist die wohl
       wichtigste Ökomarke für Bekleidung in Deutschland. Erst im Sommer hatte
       Stiftung Warentest festgestellt, dass es das einzige Unternehmen ist, das
       eine lückenlose Bio-Zertifizierung seiner Produktion nachweisen kann. Auch
       über die Arbeitsbedingungen in den Herstellerfirmen besteht Transparenz. So
       kooperiert Hessnatur mit der Kampagne für Saubere Kleidung und lässt sich
       von unabhängiger Seite überprüfen. Rund 70 Millionen Euro Umsatz macht das
       Unternehmen, das etwa 340 Menschen beschäftigt.
       
       2001 war Hessnatur von einer Arcandor-Tochter aufgekauft worden. Nach der
       Pleite des Konzerns, zu dem auch Karstadt und Quelle gehörten, kam das
       Unternehmen zusammen mit sieben anderen Versandhäusern zur Primondo
       Speciality Group. Deren Geschäftsführer Matthias Siekmann hat die Aufgabe,
       die Firmen zu veräußern und den Erlös an den
       Karstadt-Quelle-Mitarbeiter-Trust (KQMT) zu überweisen. Aus dessen Mitteln
       werden dann die Betriebsrenten der früheren Mitarbeiter bestritten.
       
       Im November hatte Siekmann bereits sechs kleinere Versandhäuser an Carlyle
       verkauft - darunter Baby-Walz. Nun hat er noch zwei Unternehmen in seinem
       Portefeuille: Neben Hessnatur ist das die Tristyle-Gruppe. "Ich möchte die
       beiden 2011 verkaufen", erklärte Siekmann gestern gegenüber der taz. Sowohl
       strategische Investoren, die konkretes Interesse an einem
       Öko-Bekleidungsversand hätten, als auch Finanzinvestoren kämen prinzipiell
       in Betracht.
       
       Zugleich betonte er aber, dass es bisher noch keine konkreten Gespräche
       gegeben habe. Carlyle habe sich im Herbst zwar alle Unternehmen der
       Primondo Speciality Group angeschaut. "Sie haben Hessnatur aber nicht
       genommen", sagte Siekmann .
       
       Nach Einschätzung von Attac gehört Carlyle zu den Unternehmen, die die
       Öffentlichkeit scheuen. Wie alle Private-Equity-Fonds sammelt die Firma
       Geld insbesondere von Pensionskassen und investiert es in Betriebe, die in
       der Regel nach einem Umbau ein paar Jahre später wieder verkauft werden.
       Die Firma, die auch in Michael Moores Film "Fahrenheit 9/11" auftaucht,
       gilt heute als der elftgrößte Anteilseigner von Rüstungskonzernen in den
       USA und als herausragendes Beispiel für den industriell-militärischen
       Komplex.
       
       Sowohl der Panzerhersteller United Defense als auch Produzenten
       militärischer Flugzeugkomponenten gehören laut Attac zu dem Fonds. Das
       leitende Personal ist außerdem extrem eng mit der Politik verbandelt. So
       soll George Bush senior als Berater für Carlyle gearbeitet haben, während
       sein Sohn im Weißen Haus regierte. Allein 2002 sollen der damalige
       US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld Aufträge in Höhe von 1,4
       Milliarden US-Dollar mit Carlyle-Firmen abgeschlossen haben.
       
       16 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annette Jensen
       
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