# taz.de -- Kommentar Westerwelle: Was kommt nach Westerwelle?
       
       > Man kann Westerwelle vieles vorwerfen, doch sein Rücktritt birgt
       > Gefahren. Ein FDP-Chef Lindner stünde für Wirtschaftsliberalismus – nur
       > mit menschlichem Antlitz.
       
       Für Guido Westerwelles zahlreiche Kritiker mag die Dauerkrise der FDP wie
       ein Fest erscheinen. Die Partei der selbst erklärten Wirtschaftselite wirkt
       personell, konzeptionell und in Wahlumfragen am Ende. Mit jedem Tag wächst
       der Druck auf den Parteivorsitzenden und Außenminister, endlich
       zurückzutreten. Doch keiner weiß, wer oder was nach Westerwelle kommen
       soll. Und für seine Anhänger wie seine Gegner gilt: Wer sagt, dass es ohne
       ihn nicht noch schlimmer werden kann?
       
       Man kann Westerwelle vieles vorwerfen. Doch der bisherige starke Mann der
       Freidemokraten bot durchaus einige Vorteile: Seit dem Bundestagswahlkampf
       2002 ließ er weitgehend die Finger von rechtspopulistischem Sprengstoff:
       Gegen Möllemanns - von Westerwelle mitgetragenen - Versuch, antisemitische
       Ressentiments salonfähig zu machen, klang das Gerede von der "spätrömischen
       Dekadenz" harmlos. Mit der Fokussierung auf Steuersenkungen hat er seine
       Partei an die Regierung gebracht.
       
       Dumm nur, dass sie ihr Versprechen jetzt nicht einhalten kann. Westerwelles
       Rücktritt aber würde die FDP in ein programmatisches Loch stürzen, und die
       richtungslose Partei könnte ihr Heil in Möllemannschen Traditionen suchen.
       Populistischen Forderungen wie der von Silvana Koch-Mehrin, der
       FDP-Vorzeigefrau in Brüssel, nach einem Burkaverbot könnten da bald weitere
       folgen.
       
       Doch das ist nicht die einzige Gefahr. Der neue starke Mann der FDP könnte
       nämlich bald Christian Lindner heißen. Der junge Generalsekretär ist
       bislang ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Er vermeidet es geschickt,
       das Image von der "Partei der Besserverdienenden" zu bedienen. Wo
       Westerwelle Ablehnung hervorruft, könnte er neue Wählergruppen gewinnen.
       Statt "sozial" benutzt er lieber das harmlos klingende Wörtchen "fair".
       Dahinter steckt nicht weniger als der Versuch, die Beziehungen zwischen
       Staat und Bürgern grundsätzlich neu zu bestimmen, Sozialkürzungen
       inklusive.
       
       Kurz: Lindner steht für den gleichen Wirtschaftsliberalismus wie
       Westerwelle. Nur mit menschlicherem Antlitz.
       
       17 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Matthias Lohre
       
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