# taz.de -- Britische Armee im Irakkrieg: Foltern nach Lehrbuch
       
       > Drei Offizieren droht eine Anzeige wegen Kriegsverbrechen. Videos zeigen,
       > wie sie irakische Gefangene foltern. Mit Methoden, die sie in der
       > Ausbildung gelernt hatten.
       
 (IMG) Bild: Ausschnitt eines Fotos von der Leiche Baha Mousas, der 2003 im irakischen Basra starb, nachdem er mutmaßlich in einem Gefängnis der britischen Besatzungstruppen gefoltert worden war.
       
       DUBLIN taz | Die britische Justiz will Anklage gegen folternde
       Vernehmungsoffiziere erheben - vielleicht. In drei Fällen wurden der
       Staatsanwaltschaft jetzt Beweise übergeben. Sie muss nun entscheiden, ob
       diese Beweise für eine Anklage wegen Kriegsverbrechen ausreichen. Gegen
       mehrere weitere Offiziere wird noch ermittelt.
       
       Die Beweise wurden von der Militärpolizei vorgelegt, die eine Kommission
       mit dem Namen "Iraq historical allegations team" (IHAT) gebildet hat. Diese
       "historischen Anschuldigungen", die eine Untersuchung der Militärpolizei
       ergeben hat, gehen aus einer Klage des Anwalts Phil Shiner hervor. Shiner
       vertritt 222 ehemalige irakische Gefangene, die nach eigenen Angaben im
       britischen Gewahrsam gefoltert worden sind.
       
       Shiner verlangt eine öffentliche Untersuchung. Die lehnt das
       Verteidigungsministerium ab. Es sei reine Geldverschwendung, denn erstens
       seien die Vorwürfe nicht bewiesen, und zweitens stelle man ja seine eigenen
       Untersuchungen an, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Die Tatsache, dass
       drei Offiziere aufgrund dieser Untersuchungen möglicherweise angeklagt
       werden, sei Indiz genug, dass nichts vertuscht würde. Allerdings sei zu
       befürchten, dass im Falle einer Anklage die Moral der Truppe Schaden nehmen
       würde, sagte der Sprecher.
       
       Für Shiner ist es ein Unding, dass die Untersuchung dem Kommandeur der
       Militärpolizei unterstellt wird. Schließlich sei eben dieser Kommandeur für
       die Verhaftung, wenn auch nicht für die Verhöre, seiner 222 Mandanten
       verantwortlich gewesen. "Eine Untersuchung des Militärs durch das Militär
       verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention", sagt er.
       
       Die ehemaligen Gefangenen gaben an, dass sie ausgehungert und mit
       Schlafentzug bestraft wurden, dass sie sich vor Soldatinnen nackt ausziehen
       und sich pornografische Filme ansehen mussten, dass sie von den
       Verhöroffizieren mit Exekution bedroht und mit Holzknüppeln verprügelt
       wurden, während ihnen die Augen verbunden waren, und dass sie regelmäßig
       sensorischer Deprivation durch Ohrenstöpsel und geschwärzte Taucherbrillen
       ausgesetzt waren.
       
       Eine Videoaufnahme zeigt das Verhör eines 30-jährigen Mechanikers namens
       Hanif im berüchtigten britischen Militärstützpunkt Shaiba südwestlich von
       Basra im April 2007. Die Soldaten versuchen, ihn zum Geständnis eines
       Mörserangriffs auf den Stützpunkt wenige Tage zuvor zu bewegen. Hanif
       bestreitet das. Auf die Frage, warum er nicht stillstehe, antwortet Hanif,
       dass er krank sei und Rückenschmerzen habe.
       
       Der vernehmende Offizier sagt: "Gut, das freut mich. Ich hoffe, du stirbst
       an Krebs. Ich hoffe, deine Kinder sterben." In einem weiteren Verhör sagt
       der Offizier: "Wenn du nicht gestehst, verhaften wir alle deine Brüder, und
       sie wandern für immer ins Gefängnis. Du wirst sie nie wiedersehen. Deine
       Mutter und deine Frau werden vergewaltigt." Nach sieben Monaten entließ man
       Hanif ohne Anklage.
       
       Die Beweismittel haben die Soldaten selbst geliefert: Sie haben sich
       offenbar gegenseitig beim Foltern gefilmt. Die Militärpolizei hat insgesamt
       1.253 Film- und Tonaufzeichnungen beschlagnahmt. Warum die Soldaten die
       Aufnahmen gemacht haben, konnte das Verteidigungsministerium nicht
       erklären. Viele Exgefangene sagen, dass die Kamera bei den schlimmsten
       Folterungen gar nicht eingeschaltet war.
       
       Aber haben die Offiziere überhaupt gegen die Richtlinien verstoßen? Im
       Oktober ist ein Video veröffentlicht worden, dass zur Ausbildung des
       Vernehmungspersonals in einer Kaserne im englischen Bedfordshire eingesetzt
       wird. Dort wurden dem Militär die Verhörmethoden für den Einsatz im Irak
       beigebracht: Ziel sei es, die mutmaßlichen Terroristen in Angst und
       Unsicherheit zu versetzen und sie zu desorientieren. Die Mittel dazu seien
       Drohungen, sensorische Deprivation, Demütigung. In einem
       Ausbildungslehrbuch heißt es, sensorische Deprivation sei rechtmäßig, wenn
       es dafür stichhaltige operative Gründe gebe.
       
       "Lasst sie sich ausziehen. Lasst sie nackt stehen, falls sie keine
       Anordnungen befolgen", steht in dem Buch. In einer älteren Ausgabe von 2008
       wird dem Militär empfohlen, für "physische Unannehmlichkeiten" zu sorgen -
       durch Einschüchtern, Schreien, Fluchen, Drohen und
       Auf-kurze-Distanz-in-die-Augen-Starren. Das Verteidigungsministerium hat
       also nicht nur Techniken entwickelt, die gegen internationale Gesetze
       verstoßen, sondern auch eine Menge Geld ausgegeben, um die Leute
       auszubilden, eben das zu tun.
       
       Für das Ministerium könnte eine öffentliche Untersuchung deshalb recht
       ungemütlich werden. Will man nun drei Offiziere anklagen in der Hoffnung,
       dass das Thema dann vom Tisch ist? Eine Verurteilung wegen Kriegsverbrechen
       wäre allerdings nahezu beispiellos. Lediglich im Fall Baha Mousa gab es
       einen Schuldspruch. Der 26-jährige Hotelangestellte war 2003 von Soldaten
       des Lancashire-Regiments in Basra verhaftet und verhört worden. Wenige Tage
       später war er tot. Die Autopsie stellte 93 Verletzungen fest.
       
       Sechs Soldaten wurden 2007 vom Vorwurf der Gefangenenmisshandlung
       freigesprochen, lediglich beim 35-jährigen Unteroffizier Donald Payne
       lautete das Urteil auf schuldig, weil er die Misshandlungen gestanden
       hatte. Er ist der erste britische Soldat, der wegen Kriegsverbrechen
       verurteilt wurde. 2007 erhielt er eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und
       wurde aus der Armee entlassen.
       
       Die meisten Foltertechniken, die von den irakischen Exgefangenen
       beschrieben werden, hat das britische Militär bereits in den 1970er Jahren
       in Nordirland angewandt. Die Europäische Menschenrechtskommission fand
       Großbritannien damals der Folter und der erniedrigenden Behandlung von
       Gefangenen schuldig. Auch "Waterboarding", die Foltermethode des
       simulierten Ertränkens, gab es damals schon.
       
       Liam Holden aus Belfast war der letzte Angeklagte in Großbritannien, der
       1973 wegen Mordes an einem Soldaten zum Tode verurteilt wurde. Das Urteil
       wurde später in "lebenslänglich" umgewandelt, Holden saß 17 Jahre ab. Er
       beteuerte stets, dass er das Geständnis nur wegen des "Waterboardings"
       abgelegt habe. Weil dafür inzwischen auch Aussagen anderer Opfer vorliegen,
       ist der Fall ans Berufungsgericht zurückverwiesen worden.
       
       20 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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